: Christoph Henning
: Theorien der Entfremdung zur Einführung
: Junius Verlag
: 9783960600596
: 1
: CHF 12.60
:
: Theoretische Psychologie
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was ist Entfremdung? Zeigt die Zunahme an Burnouts und Depressionserkrankungen an, dass die kritische Annahme, der Mensch habe sich in der Moderne von sich selbst entfremdet, heute mehr zutrifft denn je? Oder ist diese Diagnose, die Autoren wie Rousseau, Hegel und Marx gestellt haben, hoffnungslos veraltet, weil sie schon von problematischen Vorannahmen wie einem 'wahren Wesen des Menschen' ausging? Nachdem es mit dem Ende der Systemkonkurrenz von Kapitalismus und Sozialismus eine Zeit lang still war um die Entfremdungstheorie, hat sie heute wieder Konjunktur. Der vorliegende Band diskutiert diese neueren Forschungen u.a. von Autoren wie Alain Ehrenberg und Hartmut Rosa vor dem Hintergrund einer Bestandsaufnahme der älteren Theorien von Rousseau über Marx und Simmel bis zu Herbert Marcuse.

Christoph Henning ist Privatdozent für Philosophie an der Universität St. Gallen und Junior Fellow am Max Weber Kolleg der Universität Erfurt.

2.Außer-sich-Sein als Ausnahmezustand: Entfremdung bei Rousseau


»Radikale Vergesellschaftung heißt radikale Entfremdung.« (Adorno, GS 3, 81)

Wenn im Folgenden von Entfremdung die Rede ist, dann meint das die spezifisch moderne Erfahrung, dass Menschen sich aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen selbst abhanden kommen können. Sie verlieren damit, wie man mit Hartmut Rosa sagen kann, die Fähigkeit zur »Resonanz« mit ihrer sozialen und natürlichen Umwelt sowie mit sich selbst. Eine lebendige Beziehung mit diesen Regionen muss zumindest noch erinnert werden, um vermisst werden zu können. Vielleicht deshalb tritt die radikalste Kritik an solchen Phänomen bereits zu Beginn der sozialen Umstellung von traditionellen zu modernen Gesellschaften auf den Plan. Den Beginn der Moderne setzen wir für unsere Zwecke um das Jahr 1750 an, denn in dieser Zeit lässt sich eine sozialtheoretische Reflexion vernehmen, die diese Art von Entfremdungserfahrung bereits mit Händen greifen lässt.15 Wir beginnen mit Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), dem neben David Hume und Immanuel Kant wohl wichtigsten europäischen Philosophen des 18. Jahrhunderts.

Entfremdung im Zentrum des Werkes von Rousseau


Rousseaus Werk ist sehr vielfältig, aber es lässt sich gut entschlüsseln, wenn man die Entfremdung als das große Thema begreift,