I
An gewöhnlichen Abenden, wenn der Maurer Hans Aehre aus der Fabrik nach Hause kam, ging’s ans Erzählen. Die Hände und das schmale hartlinige Gesicht mit der etwas zu langen Nase, dem vollen Mund und dem stets zupackenden Blick noch dreckverkrustet, riß er das Kind an sich. Es hieß Miele, war dreijährig und hatte das gesunde Bauerngesicht der Mutter, ihre hellen, klugen Augen. Er schwenkte das Kind umher, küßte es, redete und redete, und dann, mit einem frohen Blick zu Katrin, die ruhig und still am Herd stand, fragte er wohl: „Neues? Was ist heute alles passiert?“
Und oft sprühten dann ihre Augen, die Topfdeckel klirrten, und sie sagte erbost: „Diese Stehkragentunte da unten gibt keine Ruhe. Man hält es ja kaum noch aus.“
„Was ist denn schon wieder?“ Im Umherwirbeln jauchzte Miele; ihre Stimme hatte den Klang einer schmetternden Trompete.
Katrin kam vom Herd an den Tisch, und er stellte das Kind ab.
„Nun, ich geh mit dem Ascheneimer hinunter, und es fällt mir wohl etwas auf die Treppe, nur ein wenig, und die Tunte steht an der Tür, das Gesicht wie ein Waschbrett, und nuschelt mich an: ,Bitte, passen Sie doch auf! Dieser ewige Schmutz auf der Treppe! Und das Kind schreit so lautl Mein Gott, Frau Aehre, Sie müssen sich auch an die Mietordnung gewöhnen!‘“ Und Katrin zischte böse: „Eines Tages nehm ich sie übers Knie.“
„Na, warte nur!“ Aehre schoß das Blut in den Kopf. So wie er war, hemdsärmelig und ungewaschen, sprang er zur Tür, bereit, auf der Stelle hinunterzustürmen. Katrin aber, schon wieder lachend, hielt ihn fest, zog ihn zurück in die Küche; und wenn er sich nicht halten ließ oder gar sich wehrte, stieß sie ihn auch wohl gegen die niedrige, schräge Wand der Dachstube.
„Ei verfluchtl“ rief er dann und ließ sich, nun gleichfalls lachend, auf das schmale Sofa fallen. „Soll sie uns denn ewig anpflaumen?“ begehrte er auf. „Ich habe mir das bis 1945 anhören müssen: ,Unser Führer ... Der große, herrliche Sieg ... Passen Sie doch auf die Treppe auf, es gibt keinen Lack mehr ...‘ Aber jetzt?“
Katrin lachte: „Wichtigkeit! Was macht’s uns aus? Sie ist ja schon ganz morsch.“
Aehre aber rief erbittert: „Muß man sich das denn jetzt noch gefallen lassen?“
„Laß sie doch! Ich werd schon mit ihr fertig!“
Aehre streifte sie mit einem ergebenen Blick, schaute sich in der Dachkammer um. Katrin, gut in den Dreißigern, fest und kräftig gewachsen, mit einem drallen, gesundfarbenen Apfelgesicht, in das man Lust hatte hineinzubeißen, war seine Frau. Die kleine, schräg abgedachte Küche mit dem schmalen Tisch und dem Schrank, der aussah, als wolle er jeden Augenblick auseinanderfallen, war ihre gemeinsame Küche. Das Schlafzimmer war ebenfalls abgeschrägt; der Herd rauchte, wenn der Wind aus West kam; es zog durch die Fenster, aber es war ihr Nest.
Und das Kind!
Ließ er sich am Ausguß prustend das Wasser über Brust und Gesicht rinnen, kam die Kleine herbei, zog ihn an der Hose, faßte nach seiner nack