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Als Mader auf U.10 zurückgekehrt ist, sind die Reparaturen beendet.
Manches konnte nur notdürftig geflickt werden.
Die Mannschaften harren am Plateau und betrachten forschend ihren Kommandanten.
Alle Arbeit wird auf Befehl Maders eingestellt.
Im Halbkreis umstehen ihn die Leute.
»Wir sind durch ein Elementarereignis in ein vielleicht zwei bis drei Jahrhunderttausende altes Wunder der Mutter Natur geraten. Ohne dieses Seebeben hätte vielleicht nie eines Menschen Fuß diese Stelle betreten.«
Schweigend und gespannt horchen die Leute.
»Die Strömung hat uns hier hineingetrieben. Wir müssen jetzt versuchen, zurückzufinden!«
Aller Augen haften an Maders Mund. Von den Wänden des Domes hallen die letzten Worte lauter wieder, als sie gesprochen wurden.
Obwohl unerschrocken, tapfer und sorgfältig ausgesucht, sind die Leute sich der gefährlichen Lage bewußt und in manches Auge kommt Angst. Auch das mutigste Herz schlägt schneller.
»Können wir auf dem Unterseewege unseren Ausweg nicht finden, so müssen wir versuchen, durch den Berg hindurch zu kommen. Ob dies möglich sein wird, kann ich jetzt nicht sagen. Versuchen müssen wir beides.«
Die Leute hören atemlos zu.
»Wenn uns diese Wege verschlossen sind – dann müssen wir uns in das Schicksal ergeben. – Noch ist es nicht so weit. – Die Luft ist klar und nicht ungesund. Verpflegung ist für sechs Wochen und noch länger vorhanden, wenn wir die Vorräte einteilen. Betriebsstoff für Licht haben wir genug, um auf Wochen die Akkumulatorenbatterien zu laden. – Und jetzt, alle Mann an Bord!«
In geordneter Ruhe ging der Einstieg vonstatten.
Als Letzter hantelte sich Mader die Steigleiter herunter.
Er blieb im Kommandoturm und begab sich zur Steuerungsanlage des Hauptruders.
Der Befehl zum Klarmachen erging.
Der Deckel zur Einsteigluke schloß sich. Die Positionslaternen außen am Boot erloschen.
Der Rohölmotor begann auf langsame Fahrt zu arbeiten.
Der angeschlossene Elektromotor fing an zu brummen und zu surren, und der mittlerweile wieder in Stand gesetzte Unterseescheinwerfer warf knallend seinen Strahl ins schwarzgrüne Wasser, den Weg auf dreißig Fuß erhellend.
Im Kampf zwischen Licht und Finsternis siegte diese.
Mader starrte auf das durch die Sehschlitze geworfene Bild. Fast nichts war zu erkennen.
Langsam schob sich U.10 durch die Flut.
Mader ließ das Boot auf 12 Meter Tiefe herab.
Langsam, mit äußerster Vorsicht wurde gefahren.
Kein Mensch wagte, ein Wort zu sprechen.
Überall standen die Leute auf ihren Posten. Es ging ums Leben. Der Antriebsvorrichtung für das Tiefenruder ward besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
In den Herzen und Hirnen der Besatzung arbeitet es fieberhaft.
Zurück wandern die Gedanken zur Kindheit, zum Elternhaus, zu Weib und Kind, zur Geliebten. Manch ein Schwur und Gelübde ward da im gepreßten Herzen laut, manche Bitte um Vergebung für ein erkanntes Unrecht rang sich aus dem Inneren.
Der Antriebsmotor singt jedem ein anderes Lied. Die erhitzte Phantasie läßt Rufe Angehöriger vernehmen. Man will Glocken, Straßenbahnen, Autohupen und alles Mögliche gehört haben.
Einer, der sich nie im Leben um Kinder gekümmert hat, Gustav Bender aus Altona, hört plötzlich Kinderlachen und Kinderstimmen.
Langsam schiebt sich U.10 durch die nachtdunklen Wassermassen.
Maders Augen brennen. Sein Kopf fängt an zu schmerzen.
Am Maschinentelegraph steht Marinefähnrich Ulitz.
Ulitz ist ein Jüngling von 21 Jahren. Immer lustig und zu allen möglichen Streichen aufgelegt. Er ist der Sohn einer unermeßlich reichen rheinländischen Großindustriellenwitwe.
Mit heller Stimme gibt er die Kommandos Maders nach dem Maschinenraum weiter.
Endlos scheint die Fahrt zu sein.
Der Maschinentelegraph arbeitet.
Mader befürchtet, daß er die Felswände anrennt. Sein Gehirn arbeitet krampfhaft.
Das Kommando »zurück« erschallt immer häufiger.
Das Schlimmste ist bis jetzt vermieden.
Auf allen Posten herrscht große