: Eva Geulen
: Giorgio Agamben zur Einführung
: Junius Verlag
: 9783960600480
: 1
: CHF 10.80
:
: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 202
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ist eine geschützte Demokratie noch eine Demokratie? Warum überlässt die Politik wichtige Entscheidungen dem Recht und den (Bio-)Wissenschaften? Was hat das Recht mit dem Leben zu tun? Dieser Fragenkreis aus dem Werk Giorgio Agambens hat sich seit der ersten Auflage des Einführungsbandes von Eva Geulen erweitert. Die vollständig überarbeitete Neuauflage trägt dem Rechnung, indem sie die zwischenzeitlich in deutscher Übersetzung erschienenen Texte erläutert und die Darstellung um Agambens Auseinandersetzung mit einer theologischen Genealogie der Ökonomie (u.a. 'Profanierungen', 'Was ist ein Dispositiv?' und 'Die Beamten des Himmels') ergänzt.

Eva Geulen ist Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft am Germanistischen Seminar der Universität Bonn.

I Einleitung


In der Schweiz hat man entschieden, dass überzählige Embryonen für Forschungszwecke verwendet werden dürfen: therapeutisches Klonen. Ethiker und Theologen wandten ein, man solle die Embryonen sterben lassen. Aber kann sterben, was nicht geboren wurde? Heißt sterben lassen unter solchen Umständen nicht zwangsläufig töten? Nicht nur Gegner, sondern auch Befürworter therapeutischen Klonens berufen sich bei ihren Erwägungen auf die unantastbare Menschenwürde und das Recht auf einen menschenwürdigen Tod. Indem sie dies tun, zeigen sie, dass mit seinem Leben und seinem Tod auch der Mensch Definitionssache (geworden) ist. Manche ziehen die Konsequenz, dass man deshalb nach dem Menschen, seinem Leben und seinem Tod, nicht mehr fragen dürfe. Agamben meint, man müsse die Frage »Was bedeutet ›Mensch bleiben?‹« anders formulieren. Es sei »die Bedeutung des Wortes Mensch so weit zurückzunehmen, daß sich der Sinn der Frage selbst dadurch vollkommen verwandelt« (A 50).

Wenn das Leben Definitionssache ist, stellt sich das Problem der Zuständigkeit. Wer darf, muss und kann Leben definieren? In bioethischen Kommissionen werden auch Theologen und Philosophen hinzugezogen, aber weder die Kirchen noch die Philosophie sind entscheidungsbefugt. Man könnte vermuten, dass den Wissenschaftlern die Definition des Lebens zukommt. Aber auch dort erklärt man sich für unzuständig. Agamben zitiert die Bemerkung eines Biologen, dass Diskussionen über Leben und Tod unter Wissenschaftlern Zeich