3. Die sensorische Ordnung: Psychologische und erkenntnistheoretische Grundlagen
Auch wenn im Laufe einer nahezu sieben Jahrzehnte umfassenden Publikationstätigkeit die Themenschwerpunkte, intellektuellen Einflüsse und politischen Zeitbedingungen unvermeidlich wechseln, beruht Hayeks weitgespanntes Denken auf einem einheitlichen philosophischen System und ist kontinuierlich und über alle intellektuellen Phasen hinweg auf ein Kernproblem ausgerichtet: die Erklärung menschlicher Ordnungsformen. Seine Beiträge zu den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften können in einem umfassenden Sinne als Moralwissenschaft (moral science) bezeichnet werden, deren Vorbild Hayek vor allem in der schottischen Aufklärungstradition um David Hume, Adam Smith und Adam Ferguson fand.
Hayek war zwar ein exzellenter Kenner der Theoriegeschichte der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, der über einen ausgeprägten Ehrgeiz als bibliophiler Jäger und Sammler verfügte und bei vielen Gelegenheiten wichtige Anstöße für die Interpretation der ihn anregenden Denker gab. Aber die Theoriegeschichte diente ihm eher zur Unterfütterung und Präzisierung von theoretischen Überlegungen, die er auf gedanklich eigenständige Weise angestellt hatte. Der geeignete Ansatzpunkt zum Verständnis von Hayeks Werk ist daher nicht in Vergleichen mit anderen Klassikern wie Hume, Kant oder Mill zu suchen, sondern in den intellektuellen Anknüpfungspunkten, die er um 1920 in Wien vorfand. Dieses Milieu beschränkte sich nicht auf die Österreichische Schule der Nationalökonomie, in deren Traditi