PROLOG
„Du erwartest wirklich, dass ich das durchziehe?“ Raul Valdez’ Stimme klang wie ein Donnergrollen.
„Die Schuld muss beglichen werden, und – ob es dir nun gefällt oder nicht – der Vertrag, den dein Vater vor seinem Tod mit Henry Carter-Wilson geschlossen hat, besitzt nach wie vor Gültigkeit. Als Vorstandsmitglied muss ich darauf bestehen.“
Raul fluchte wild. „Komm schon, Carlos, das kannst du nicht ernst meinen!“
„Leider doch. Und als langjähriger Freund der Familie bitte ich dich inständig: Hör auf, nach jemandem zu suchen, der nicht gefunden werden will, und heirate das Mädchen – so wie dein Vater es ganz offensichtlich beabsichtigt hat. Nach zwei Jahren, wenn die Schuld beglichen ist, reichst du die Scheidung ein.“
Heiraten! Raul konnte nicht glauben, dass ausgerechnet Carlos das von ihm verlangte.
Unbändige Wut kochte in ihm hoch. Wie hatte sein Vater so etwas tun können? Aber das war nicht wirklich die Frage. Es war Raul nie gelungen, die Anerkennung seines Vaters zu gewinnen, ganz gleich wie sehr er sich auch bemüht hatte. Dies hier war nur ein weiterer Schlag gegen den Sohn, den er nie gewollt hatte.
„Du lässt es so einfach klingen.“ Raul atmete tief durch, trat ans Fenster und blickte über Madrid hinweg, das im goldenen Licht der Spätsommersonne badete. Auf dem Papier sah es auch leicht aus. Doch heiraten war etwas, dass Raul niemals gewollt hatte.
„Es ist einfach“, erklärte Carlos nüchtern. „Du musst lediglich zwei Jahre mit einer Frau zusammenleben, die zudem noch wunderschön ist. Danach steht es dir frei, dich wieder scheiden zu lassen.“
„Ich habe nicht die Absicht, jemanden zu heiraten. Niemals.“ Raul fing an, im Büro auf und ab zu laufen. Der Zorn über das, was sein Vater getan hatte, vermischte sich mit der Furcht, von ihm kontrolliert zu werden – ein heftiger Cocktail.
Er blieb stehen und ließ den Blick abermals über Madrid schweifen. Dabei versuchte er, seinen Zorn unter Kontrolle zu bringen. Ein paar Minuten lang blieb er so stehen und wandte Carlos Cardozo den Rücken zu – dem Mann, der mehr für ihn dagewesen war als sein eigener Vater.
Mein Vater …
Was für ein Witz.
Raul hatte immer gewusst, dass er eine Enttäuschung für ihn gewesen war. Doch mit dem, was er nach Maximiliano Valdez’ plötzlichem Tod erfahren musste, hatte selbst er nicht gerechnet. Er hätte nicht gedacht, dass sein Vater ihn wirklich hasste. Doch er wäre auch nie auf die Idee gekommen, dass er noch eine andere Familie haben könnte.
Einen anderen Sohn.
„Die einzige Alternative ist, deinen Halbbruder zu finden.“ Carlos’ ruhige Stimme holte ihn aus seinen düsteren Gedanken zurück in die Gegenwart. „Was bedeuten würde, dass du dein Erbe teilen musst – und damit alles, was du für dieses Unternehmen getan hast.“
Raul wirbelte herum. Dies war ein Detail, das der Anwalt seines Vaters nur ihm enthüllt hatte – und das er bislang zurückgehalten hatte. Woher wusste Carlos davon?
„Du weißt von ihm?“
„Ja.“ Carlos begegnete seinem Blick herausfo