1. KAPITEL
Prinz Cristiano stand vor dem Spiegel und knöpfte sein Smokinghemd zu. Das sanfte Schwanken des Bodens unter seinen Füßen war der einzige Hinweis darauf, dass er sich auf einer Jacht befand und nicht in einer luxuriösen Hotelsuite. Mehr als zweitausend Meilen war er geflogen, um an diesem Abend hier zu sein. Ganz entspannt sah sein Spiegelbild demnach nicht aus: Die Falten auf seiner Stirn und um die Mundwinkel ließen ihn älter wirken, als er wirklich war – einunddreißig, im besten Mannesalter.
Daran musste er noch arbeiten, ehe er sich auf die Jagd nach dieser Frau begab. Ein Vorhaben, das ihm keinen Spaß machte, das aber leider sein musste. Widerwillig zwang er sich zu einem Lächeln. Ja, schon besser, entschied er nach einem weiteren Blick in den Spiegel.
Bisher hatte sich kaum eine Frau seinem Charme entziehen können.
Er schlüpfte in die Smokingjacke und schnippte einen Fussel vom Revers. Was würde Julianne denken, wenn sie ihn jetzt sähe? Er würde alles dafür geben, wenn sie jetzt neben ihm stünde, seine Krawatte zurechtzupfte und ihn ermahnte, nicht so ernst dreinzuschauen.
„Julianne“, murmelte er leise. Sie waren nur einen Monat lang verheiratet gewesen – und das war schon so lange her, dass er sich nicht einmal mehr richtig an ihre Haarfarbe erinnern konnte oder den Klang ihres Lachens. Das mochte ja normal sein, aber es machte ihn immer wieder wütend und auch traurig. Nie würde er es sich verzeihen, dass er ihren Tod nicht verhindert hatte.
Viereinhalb Jahre war es her, dass er sie in den Hubschrauber steigen und an die gefährliche Grenze zwischen Monterosso und Monteverde hatte fliegen lassen, trotz eines mulmigen Gefühls im Magen.
Julianne war Medizinstudentin gewesen und wollte ihn zu einem Hilfseinsatz begleiten. Als er den im letzten Moment absagen musste, hatte sie darauf bestanden, ohne ihn zu fliegen. Sie war der Meinung gewesen, dass sie als neue Kronprinzessin am Frieden mit Monteverde mitarbeiten müsse. Sie war Amerikanerin und glaubte, deshalb gefahrlos beide Länder besuchen zu können.
Und er hatte sich überzeugen lassen.
Cristiano schloss die Augen. Die Nachricht, dass eine monteverdische Bombe das Leben seiner Frau und das von drei anderen Hilfskräften ausgelöscht hatte, löste eine Wut und Verzweiflung in ihm aus, wie er sie nie zuvor erlebt hatte.
Er trug die Schuld an ihrem Tod. Sie würde noch leben, wenn er sie nicht hätte gehen lassen … wenn er sie überhaupt nie geheiratet hätte. Warum hatte er es getan? Diese Frage stellte er sich seit damals immer wieder.
Er glaubte nicht an überspringende Funken oder Liebe auf den ersten Blick, und doch hatte er sich so stark zu ihr hingezogen gefühlt, dass es ihm nur richtig erschien, sie vom Fleck weg zu heiraten.
Eine Entscheidung, die Julianne das Leben gekostet hatte.
Aus purem Eigennutz war er diese Ehe eingegangen, denn er musste heiraten und wollte sich von seinem Vater seine zukünftige Gattin nicht vorschreiben lassen. Er hatte ein lebenslustiges, wunderschönes Mädchen gewählt, das er kaum kannte. Der Sex mit ihr war großartig, und er mochte sie. Er hatte sie mit seinem Antrag überrumpelt und ihr die Welt versprochen.
Und sie hatte ihm geglaubt …
Basta!
Er musste die Gedanken an Julianne verdrängen, wenn er sich unter Raúl Vegas Gäste mischen wollte. Diese dunklen Zeiten waren vorüber. Er hatte ein neues Ziel vor Augen und würde erst ruhen, wenn er dieses erreicht hatte.
Monteverde.
Die Prinzessin. Der Grund, warum er auf dieser Jacht war.
„Ist das nicht ein wunderbarer Abend?“
Prinzessin Antonella, die gerade aus ihrer Kabine trat, wich erschrocken zurück, als sie vor sich einen Mann an der Reling lehnen sah. Wellen klatschten leise an den Schiffsrumpf, von einem der anderen Boote im Hafen klang Gelächter herüber, die laue Luft duftete intensiv nach Jasmin.
Doch all das schien sie nicht zu bemerken. Ihr Blick hing wie gebannt an der großen Gestalt, eine dunkle Silhouette vor der hell erleuchteten Stadt im Hintergrund. Als er einen Schritt auf sie z