: Edith Hall
: Die Griechen und die Erfindung der Kultur
: Pantheon
: 9783641244194
: 1
: CHF 11.50
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: Vor- und Frühgeschichte, Antike
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von der Kraft und Faszination der griechischen Antike
Sie waren die Erfinder der Demokratie, Begründer der Philosophie, Schöpfer unsterblicher Mythen - doch was genau war das Erfolgsgeheimnis der antiken Griechen und was verbindet uns mit ihnen? Edith Hall, Professorin am Londoner King's College und eine der weltweit profiliertesten Altertumsforscherinnen, untersucht zehn Charaktereigenschaften, die allen griechischen Völkern gemeinsam waren. Über die Jahrtausende hinweg lernen wir so die wissbegierigen, humorvollen wie kompetitiven Menschen kennen, die als Seefahrer in neue Gebiete vorstießen, sich im Wettkampf in Olympia oder im Redegefecht maßen. Wir erfahren, was die Griechen dachten und fühlten, über welche Witze sie lachten - und es entsteht eine ebenso farbige wie kurzweilig-moderne Geschichte, die uns den Mythen und Göttern, Helden und Menschen so nahe bringt wie nie.

Edith Hall, geboren 1959, ist Professorin für Altertumswissenschaften am King's College in London und zugleich Mitgründerin des Archive of Performances of Greek and Roman Drama an der Universität Oxford. Sie verfasste mehrere Bücher zu Themen der griechischen Geschichte und Literatur, u.a. eine Kulturgeschichte von Homers 'Odyssee' sowie eine Geschichte der antiken Sklaverei. 2015 erhielt sie die 'Erasmus-Medaille' der Academia Europea für herausragende Verdienste um die europäische Kultur und Wissenschaft.

VORWORT

Zwischen 800 und 300 v. Chr. machten Menschen, die Griechisch sprachen, zahlreiche geistige Entdeckungen und hoben die mediterrane Welt auf eine neue Stufe der Zivilisation. Wie sie sich auf diese Weise kontinuierlich selbst weiterbildeten, wurde von den Griechen und Römern der folgenden Jahrhunderte sehr bewundert. Doch begann, wie dieses Buch zeigt, die Geschichte der alten Griechen schon 800 Jahre vor dieser Phase, und sie dauerte anschließend noch mindestens sieben Jahrhunderte lang an. Und als die Texte und Kunstwerke der griechischen Antike in der europäischen Renaissance wiederentdeckt wurden, veränderten sie die Welt ein zweites Mal.

Dieses Phänomen hat man das Griechische Wunder genannt. Es ist viel vom »Ruhm Griechenlands« geschrieben worden, dem »griechischen Genie«, »griechischen Triumph«, von der »griechischen Aufklärung«, dem »griechischen Experiment«, der »griechischen Idee« oder gar dem »griechischen Ideal«. Doch in den letzten zwanzig Jahren wurde die Ausnahmestellung der Griechen zunehmend in Zweifel gezogen. Die Historiker hoben hervor, dass die Griechen letztlich nur eine von vielen ethnischen Gruppen und Sprachgemeinschaften im antiken Mittelmeerraum waren. Lange bevor die Griechen ihren Auftritt hatten, waren mehrere hoch entwickelte Zivilisationen entstanden: die Mesopotamier und Ägypter, die Hattier und Hethiter. Und es waren andere Völker, die den Griechen entscheidende technologische Fortschritte ermöglichten: Von den Phöniziern lernten sie das phonetische Alphabet, von den Lydiern, wie man Münzen prägt und möglicherweise von den Luwiern, wie man kunstvolle kultische Gesänge komponiert. Als die Griechen nach 600 v. Chr. die rationale Philosophie und Wissenschaft erfanden, war es die Expansion des Persischen Reiches, die ihren geistigen Horizont erweiterte.

Seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelte sich unser Wissen über die anderen Kulturen des antiken Nahen Ostens rapide. So verstehen wir inzwischen das Denken der Vorläufer und Nachbarn der Griechen weit besser als noch vor der bahnbrechenden Entdeckung des auf Tontafeln eingeritzten Gilgamesch-Epos im Tigristal 1853. Immer mehr Schriften in den Sprachen der Sumerer, Akkadier, Babylonier und Assyrer, die nacheinander die fruchtbaren Ebenen Mesopotamiens beherrschten, werden erschlossen; hethitische Schriften, die man bei Hattusa in der Zentraltürkei fand, wurden genauso entziffert wie die ebenfalls auf Tontafeln eingravierten Texte in der Nähe des nordsyrischen Ugarit. Bislang unbekannte altägyptische Dokumente und deren Interpretationen machen es nötig, etwa die Bedeutung der Nubier für die nordafrikanische Geschichte neu zu bewerten.

Viele dieser interessanten Entdeckungen haben gezeigt, wie viel die Griechen mit ihren Vorläufern und Nachbarn gemein hatten. Detaillierte komparatistische Studien legen nahe, dass das griechische »Wunder« nur Bestandteil eines andauernden interkulturellen Austauschs war. Die Griechen waren erfinderisch, hätten jedoch ohne die Fertigkeiten, Ideen und Praktiken ihrer Nachbarn niemals so enorme Fortschritte gemacht. Inzwischen herrscht Konsens darüber, dass die Griechen ihren nahöstlichen Nachbarn in Mesopotamien, Ägypten, der Levante, Persien und Kleinasien sehr ähnlich waren. Manche Forscher zweifeln sogar an, dass die Griechen überhaupt etwas Neues geschaffen haben – oder ob sie lediglich das gesamte Wissen aller Zivilisationen des östlichen Mittelmeerraums kanalisierten und in den Gebieten verbreiteten, die Alexander der Große eroberte, ehe es an Rom und die Nachwelt weitergegeben wurde. Andere wollen rassistische Motive erkennen und werfen den Althistorikern vor, »älteste tote weiße europäische Männer« zu schaffen (Bernard Knox); manche behaupten s