: Madeleine Hofmann
: Macht Platz! Über die Jugend von heute und die Alten, die überall dick drin sitzen und über fehlenden Nachwuchs schimpfen
: Campus Verlag
: 9783593439532
: 1
: CHF 13.50
:
: Gesellschaft
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Madeleine Hofmann: Die Jungen an die Macht! Egoistisch, karrieregeil, unpolitisch. So lauten die Vorurteile, die sich junge Leute immer wieder gefallen lassen müssen. Sie sind die Minderheit in einem Land, in dem sich mittelalte Politiker als jung feiern und dabei Politik für die Alten machen. Doch die sind vom maroden Bildungssystem nicht betroffen, Digitalisierung kapieren sie nicht, und die explodierenden Kosten für soziale Absicherung zahlt ihr Nachwuchs. Wenn sich der jahrelange Investitionsstillstand auswirkt, legen sie längst die Füße in ihrer Altersresidenz hoch. 'Schluss mit gestern!', fordert die junge Journalistin und Aktivistin Madeleine Hofmann. In ihrem Buch räumt sie mit Klischees auf und präsentiert die Fakten über ihre zurückgedrängten Altersgenossen und deren wirtschaftliche Lage. 'Lasst uns übernehmen', lautet ihre unmissverständliche Botschaft. Hofmanns Forderung: Die Jungen müssen endlich gehört werden und über die Zukunft der Gesellschaft mitbestimmen.

Madeleine Hofmann, geb. 1987, arbeitet als Journalistin in Berlin, u.a. für das ZDF Morgenmagazin, ze.tt und Capital.de. Mit ihrer Kolumne 'Die Jugend von heute' für das Magazin The European rückte sie Werte und Interessen der jungen Generationen in den Mittelpunkt politischer Debatten. Für ihr Magazin Knowing (wh)Y wurde sie ausgezeichnet, von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen sowie von der Initiative #FreeInterrail zur Botschafterin ernannt. Als Expertin und Talk-Gast ist sie in TV und Radio zu sehen und zu hören.
Für Elina und Valentin und für alle anderen Kinder der jüngsten Generation, für deren Zukunft dieses Buch eintritt Prolog Anfang 2018 haben sich die Deutschen für vier weitere Jahre Stillstand entschieden. Oder sagen wir besser: Ein kleiner Teil der Deutschen hat entschieden, dass der Rest der Deutschen mit vier weiteren Jahren Stillstand zu leben hat. Christian Lindner hatte die Jamaika-Koalition platzen lassen, und nur wenige Monate später stimmten etwa 239?000 Mitglieder der SPD für eine weitere Runde der Großen Koalition. Und täglich grüßt das Murmeltier. Zur Feier der Koalitionsneuauflage gestaltete die Parteispitze der CDU - also Angela Merkel - die 'Erneuerung' ihrer Partei. Immerhin einen unter 40-Jährigen erkor sie für ihr Kabinett aus: Jens Spahn, Jahrgang 1980, ist bei Antritt seines Amts als Gesundheitsminister 37 Jahre alt. Auch die SPD ließ 'eine Junge' ran: Franziska Giffey, Jahrgang 1978, ist 39, als sie das Familienministerium übernimmt, mittlerweile hat sie ihren 40. Geburtstag allerdings gefeiert. Betrachtet man die gesamte Bundesregierung, sind Franziska Giffey und Jens Spahn die Teenager am Kabinettstisch. Das Durchschnittsalter des Kabinetts Merkel IV beträgt nämlich am Tag seiner Vereidigung 51,2 Jahre1 - damit sind die MinisterInnen quasi fünf Jahre älter als die deutsche Gesamtbevölkerung. Entsprechend alt sieht die Politik aus: Die letzte große Koalition verpulverte Milliarden für die Rente mit 63, die nur wenigen half - am wenigsten aber den jungen und zukünftigen Generationen. Die Zukunft reicht bis zur nächsten Bundestagswahl. Über die Rentengeschenke der neuen GroKo bestimmt jetzt eine ExpertInnenkommission, deren jüngstes Mitglied Mitte 40 ist, die meisten aber sind über 60. Die neue GroKo setzt wie die alte auf Massentierhaltung, Kohlekraft und Diesel­motoren. Alles für den Wohlstand! Was kümmert uns die Zukunft? Willkommen in der Altenrepublik Deutschland, wo Junge nichts zu sagen haben und graue Köpfe die Agenda bestimmen! Wenn das so weitergeht - die Lebensrealitäten der Jungen in der Politik fehlen und Wahlprogramme nur für die alten WählerInnen geschrieben werden -, dann schnüren wir für immer teurere Rentenpakete, während für Zukunftsinvestitionen, zum Beispiel in Bildung, kein Geld übrigbleibt. Dann wird Unterricht bald in leer stehenden Fabrikgebäuden am Stadtrand abgehalten, Schulsanierung ist nämlich nicht drin im Budget - und da draußen im Industriegebiet stört sich auch niemand am Geschrei der Kinder und Jugendlichen. Die sitzen nachmittags im Grundkurs Digitalisierung, wo sie von Tageslichtprojektoren ablesen, wie das damals funktioniert hat mit diesem Online-Banking. Das echte Internet wurde nämlich längst blockiert, weil die grauen Köpfe in der Regierung beschlossen haben, dass die Gefahren, die davon ausgehen, einfach zu groß sind. Dann florieren die Bankfilialen und Tante-Emma-Läden wieder, wo es die beste Auswahl regionaler Lebensmittel und Trinkwassersorten aus dem Reagenzglas gibt. Die sind gesünder als Naturprodukte, die man einfach nicht mehr von Plastikpartikeln und Pestiziden befreit bekommt. Für andere Konsumgüter fährt man wieder in die Stadt, statt sich online mit einer viel zu großen Auswahl auseinandersetzen zu müssen. Das gibt den Alten die Möglichkeit, ihre schicken SUVs und Cabrios aus der Garage zu holen. Das mit der Elektromobilität war für die Automobilkonzerne einfach zu kostspielig - und jetzt kann man weiterhin den Klang der Motoren und den Duft von Diesel in der Luft genießen. Schön ist das. Die oberen 2 Prozent und ihre Sprösslinge residieren dann in ihren schicken Eigentumswohnungen und Neubauten, während die anderen, die nicht vom Aktienboom profitieren konnten, sich in die wenigen verbliebenen kleinen Mietwohnungen zwängen müssen - oder in eines der leer stehenden Häuser an der Küste oder in der Nähe der Alpen, wo das Leben unsicher geworden ist, weil die Regionen regelmäßig von Hochwassern, Sturmfluten, Schnee- und Schlammlawinen heimgesucht werden. Etwas anderes können sich die Jungen nicht leisten, weil von ihren Gehältern nach Abzug der horrenden Beiträge für Renten-, Kranken-, und Pflegeversicherung gerade noch genug übrig bleibt, um die Gebühren für die Kindergarten- und Schulplätze ihrer Kinder zu bezahlen. In den Ferien fahren die Familien meistens ins Umland. Zu kompliziert ist es geworden, das Ausland zu bereisen. Ohne internationale Abkommen dauern Visavergabeprozesse Monate, und die Kinder erschrecken bei den strengen Kontrollen an den Grenzen der Nachbarländer. Besser also zu Hause bleiben, in der Bundesrepublik, wo der Ausverkauf der Zukunft in vollem Gange ist. Ein paar Jahre hatte ich mich mit dem Engagement junger Menschen, den Vorurteilen, die Alte ihnen gegenüber haben, und den drohenden Folgen des Bevölkerungswandels schon beschäftigt, als ich erkannte, warum wir in Deutschland ein Problem mit Generationengerechtigkeit haben. Immer wieder hatte ich mich für meine Kolumnen schon beschimpfen lassen müssen, zum Beispiel, weil ich gegen die Mütterrente bin - und das heißt für viele ganz klar, dass ich meiner Oma nicht die Butter auf dem Brot gönne. (Was selbstverständlich ferner von der Realität nicht sein könnte.) Das war online. Im echten Leben, von Angesicht zu Angesicht, behaupteten die meisten inbrünstig: 'Generationengerechtigkeit, ja, ganz wichtig - die Basis unserer Gesellschaft'. 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