»Ich will das Schneewittchen sein, Schwester Regine, bitte, ich!« schrie die kleine Heidi Holsten und streckte verlangend ihre Händchen nach der zierlichen Krone aus, die die Kinderschwester von Sophienlust in den Händen hielt.
»Das geht nicht. Wir haben ausgemacht, daß ich das Schneewittchen bin«, meldete sich Viktoria Langenbach zu Wort. »Heidi hat blonde Haare. Sie kann nicht das Schneewittchen sein.«
»Schneewittchen hat aber schwarze Haare«, bemerkte Vickys Schwester Angelika, »und nicht braune wie du.«
»Du bist gemein!« zischte Vicky. »Richtig gemein!«
»Wenn ihr euch noch lange streitet, dann lassen wir das Ganze sein«, schlug Schwester Regine vor. Der Streit um die Krone dauerte jetzt schon zehn Minuten. Demonstrativ legte sie die Krone wieder in die blaue Schachtel zurück, aus der sie sie genommen hatte.
»Kein Kostümfest?« Heidi steckte entsetzt einen Finger in den Mund.
»Nein, kein Kostümfest«, sagte Schwester Regine. »Wenn Herr Barth wüßte, daß ihr euch schon jetzt streitet, dann hätte er dieses Fest erst gar nicht vorgeschlagen.«
»Ich bin lieb, ich streite nicht!« Heidi legte schmeichelnd ihre Arme um die Hüften der Kinderschwester. »Bitte, Schwester Regine, Vicky kann auch die Krone haben.«
»Ich will sie gar nicht mehr haben«, sagte Vicky nun. »Wenn Heidi will, dann kann sie ruhig das Schneewittchen sein. Dann ist das Schneewittchen eben blond!« Bedauernd blickte sie zu der hübschen Schachtel hin, die jetzt wieder die Krone enthielt. »Und ich bin eben etwas anderes.«
Pünktchen kam mit einem Arm voller Kleidungsstücke und bunter Stoffe in die Kostümkammer. Sie und Irmela waren dabei, einige Kostüme für das Fest zu nähen. »Was macht ihr denn für Gesichter?« fragte sie ganz überrascht. »Es wird kein Kostümfest geben«, antwortete Angelika geknickt. »Vicky und Heidi haben sich gestritten, wer von ihnen das Schneewittchen sein soll.«
»Dabei wollen wir doch jetzt ganz artig sein«, sagte Heidi mit weinerlicher Stimme. Sie blickte zur Schwester Regine empor, die nur mühsam ein Schmunzeln unterdrücken konnte. »Ganz artig!« fügte sie noch einmal bekräftigend hinzu.
Angelina Dommin, wegen ihrer vielen Sommersprossen von allen Pünktchen genannt, sah, daß Schwester Regine ihr zublinzelte. Also war das Kostümfest gar nicht in Gefahr. Schwester Regine hatte die Kinder nur zur Räson bringen wollen.
Pünktchen legte die Kostüme über einen Stuhl und dachte nach.
»Schneewittchen muß dunkle Haare haben«, meinte Vicky, bevor Pünktchen etwas sagen konnte, »und nicht so blonde wie Heidi. Ein blondes Schneewittchen gibt es nicht.«
»Aber auch kein braunes, sondern nur ein schwarzes.« Heidi hatte sich sehr gut gemerkt, was Angelika vor kaum fünf Minuten gesagt hatte. »Schwarz wie Ebenholz.«
»Geht es schon wieder los?« seufzte Schwester Regine. »Was meint ihr, was Herr Barth sagen würde, wenn er euch sehen und hören könnte?«
Eigentlich waren die Rollen der Kinder schon vor Tagen festgelegt worden, aber nun war an diesem Morgen unter anderem diese hübsche kleine Krone gekommen. Herr Barth hatte es mit der Sendung nur gut gemeint. Wie hätte er ahnen sollen, daß sich die Kinder um die Krone streiten würden? In seinen Augen waren sie alle kleine Engel.
Vor einigen Wochen war die Tochter von Herrn Barth für vierzehn Tage in Sophienlust gewesen, während ihre Eltern geschäftlich in New York zu tun gehabt hatten. Der kleinen Carmen hatte es so gut im Kinderheim gefallen, daß Oskar Barth den Kindern von Sophienlust aus Dankbarkeit ein Kostümfest versprochen hatte, das in einer Woche stattfinden sollte. Er wollte mit seiner Familie daran teilnehmen.
Betroffen schauten Heidi und Vicky zu Boden. Meistens verstanden sich die beiden sehr gut. Es war wirklich nur die Krone, die sie gegeneinander aufgebracht hatte.
»Wir müßten doch noch eine Krone haben«, sagte Pünktchen. »Sie müßte irgendwo unter den Theaterutensilien stecken. Erst im Fasching habe ich sie gesehen.«
»Ich weiß, wo sie ist«, erklärte Vicky, »aber sie ist lange nicht so
hübsch wie die Krone, die Herr Barth geschickt hat.«
»Heid