2. Längst gewusst und doch vergessen
Erinnere dich, was wirklich zählt
Sicher fragst du dich, wieso ich nicht einfach aus dem goldenen Käfig „ausgeflogen“ bin? Zum einen war ich immer noch sehr, sehr verliebt in Luc und zum anderen sah ich trotz unserer Schwierigkeiten so viel Potenzial in ihm und in uns, dass ich glaubte, es sei nur eine Frage der Zeit, bis wir uns aneinander angepasst hatten. Und dann würde alles gut werden.
Und es war ja nicht so, dass wir keine schönen Momente mehr miteinander hatten. Die gab es immer noch und genau diese Momente waren es auch, die mich „gefangen hielten“. Wir konnten immer noch stundenlang zusammen beten und tiefe Gespräche führen – über Gott und unsere Träume mit der Musik. So planten wir, irgendwann gemeinsam aufzutreten. Er am Klavier und ich am Gesang. Auch er hatte so viel zu erzählen! Wir wären ein starkes Team – auf der Bühne und im Leben. Davon träumte ich. Daran glaubte ich! Immer noch hatte ich seinen ersten Liebesbrief im Kopf. Es war der schönste Brief, den ich je erhalten hatte. Er schrieb mir Worte, die mich tiefer nicht hätten berühren können.
Mein Leben fühlte sich in den ersten Monaten unserer Beziehung plötzlich so viel leichter an. Kennst du das? Ich musste endlich nicht mehr allein kämpfen, war nicht tagein, tagaus damit beschäftigt, das Auto ein- und auszuladen, um von einem Auftritt vor 50 Leuten zum nächsten vor 10 000 zu reisen. Es kam eine gewisse Ruhe in mein Leben – zumindest oberflächlich. Innerlich konnte ich diese Ruhe nur am Anfang genießen. Inzwischen war es keine Ruhe mehr. Es wurde eine andere Form von Stress für mich. Ein Stress, den die Frage auslöste: „Wer bin ich eigentlich noch ohne all das?“
Luc und ich hatten uns darauf geeinigt, dass ich weniger Auftritte annehmen würde, um mehr Zeit für die Beziehung zu haben. Für eine gewisse Zeit des ersten Kennenlernens war das absolut angemessen, aber nicht für immer! Es ist wichtig, auf seine Träume aufzupassen. Lass sie dir nicht nehmen!
Einer der großen Auftritte, die ich noch angenommen hatte, stand mir nun bevor. Ich durfte vor Nic Vujicic, dem weltbekannten Motivationsredner, auftreten und freute mich sehr darauf. Sowohl meine Eltern als auch meine beste Freundin und ihr Mann waren extra angereist. Dieser Auftritt war wieder ein Moment, in dem ich Daniel vermisste, denn nun war ich auf die Techniker vor Ort angewiesen. Mit Daniel hatte ich diese Sorge nie. Wenn er dabei war, wusste ich, dass alles perfekt werden würde. Tatsächlich gab es bei diesem Auftritt schon zu Beginn meines Songs ein technisches Problem. Es war kein Weltuntergang, doch es versetzte mir einen kleinen Stich ins Herz. Vielleicht war diese Erfahrung auch ein Weckruf: „Déborah, merkst du was …?“
Das Publikum war begeistert und so ging ich mit meinen Eltern und meiner Freundin nach der Show noch an die Hotelbar, um diesen besonderen Abend und unser Wiedersehen zu feiern. Ich war so froh, dass Luc endlich meine beste Freundin kennenlernte und dass er auch meine Eltern wieder einmal traf. Doch statt sich mit meinen wichtigsten Menschen zu befassen, hing er ständig am Telefon und war den ganzen Abend abwesend. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und sogar Verständnis für ihn und sein Geschäft zu zeigen. Dabei hätte es an diesem Abend einmal um mich gehen sollen, wie mir meine beste Freundin später aufgebracht und sauer mitteilte. Sie s