Sie sagen, wir sollen alles aufschreiben. Einen großen Stapel Papier legen sie uns hin, dazu für jeden einen Bleistift. Wenn wir noch mehr brauchen, werden sie uns das geben, heißt es. »Schreibt auf, was ihr zu sagen habt. Entlastet eure Seele. Wer das hier überlebt hat, wird auch die Kraft aufbringen, zu beschreiben, was ihn quält.« Sie scheinen unsere Gedanken lesen zu können, diese Amerikaner. Lässig schlendern sie mit ständig mahlenden Unterkiefern durch das Lager. Nichts entgeht ihnen, alles wollen sie wissen. Sie fragen uns aus, in ihrem komischen Deutsch mit dem bisher nie gehörten Tonfall, und wir antworten bereitwillig. Denn schließlich sind sie hilfsbereit, großzügig mit dem Verteilen von Zigaretten und Schokolade, und sie scheinen Verständnis für unsere Lage haben.
Abgerissen sitzen wir hier, jeder an seinem eigenen Tisch. Es gelingt mir nicht, das Zittern meiner Hände zu unterdrücken. Aber ich werde es versuchen. Entschlossen bin ich, all das aufzuschreiben, was sich in meinem Kopf eingebrannt hat. Jedes Wort will ich mir notfalls abringen, um das loszuwerden, was mir den Schlaf raubt. Ich werde festhalten, was ich ertragen musste, was mich fast um den Verstand gebracht hätte. Eigentlich erwarte ich nicht, dass andere Menschen jemals lesen werden, was mir widerfahren ist. Erst einmal schreibe ich es für mich. Wie weit ich damit kommen werde? Das weiß ich nicht. Ich fange einfach an. Vielleicht interessiert sich irgendwann mal jemand dafür, und die Welt wird eines Tages erfahren wollen, was hier geschehen ist. Es wird ja noch genügend Tschechen geben, die meine Geschichte übersetzen können.
Selbst wenn nun ein besseres Leben auf mich wartet – wäre damit zu heilen, was in mir eingerichtet wurde? Was weiß ich. Unzählige Gedanken sirren durch den Kopf, die geordnet werden wollen. Was ich jetzt brauche, ist dieser Platz zum Schreiben. Alles Weitere wird sich finden.
Ich habe Glück gehabt und überlebt. Noch kann ich das Ausmaß dessen, was in mir angerichtet wurde, nicht überblicken. Mir ist kein Einzelschicksal widerfahren. So wie bei mir, oder so ähnlich, hat es sich millionenfach abgespielt. Und deshalb will ich nicht nur für mich schreiben, sondern auch für all jene, die dieses Schicksal mit mir teilten, aber am Ende weniger Glück hatten als ich; für jene, die jetzt irgendwo verscharrt liegen.
Ich spüre die mitleidigen Blicke, sehe das Naserümpfen. Weißes Pulver haben sie mir mit großen Gartenspritzen über den Körper gepumpt. Damit soll das Ungeziefer ausgerottet werden. Wurde auch Zeit, die Biester haben mich lange genug gequält. Ich habe nur noch diese Fetzen, die ich am Leib trage. Alles andere liegt unter den Trümmern, aus denen ich mich wieder ans Licht buddeln konnte. Nun hocke ich mit anderen, die diesen Irrsinn mit mir überlebt haben, in dieser Baracke. Der Brandgeruch stört mich nicht mehr, ich ignoriere ihn einfach. Es macht mir auch nichts aus, auf dieser Metallkiste zu sitzen. Wäre sie aus Holz, hätten wir sie längst zerhackt und in den Ofen geworfen, so wie all das andere Mobiliar. Auch wenn die Aprilsonne wärmt, ist es nachts noch kalt, und es zieht in dieser Bude. Seit heute muss ich nicht mehr auf dem Boden schlafen. Da liegt jetzt eine Matratze, die mir die Amerikaner mit entschuldigendem Blick gaben, weil darin getrocknete Urinflecken sind. Wen stört das scho