Das angebliche schwarze Schaf in der Familie zu sein, hat zumindest einen großen Vorteil: Keine Sau gibt sich besondere Mühe, dich zu suchen, wenn du dich mitten in der Nacht auf Nimmerwiedersehen davonmachst. Eher das Gegenteil: Mein Vater hat wahrscheinlich erst mal eine Flasche Schampus geköpft, nachdem sie den Zettel mit meiner kurzen Grußbotschaft gefunden hatten. Und meiner Mutter wird es einfach egal gewesen sein, so wie ihr eigentlich alles egal war, seit ich denken konnte. Wahrscheinlich war es ihr dann nicht mehr ganz so egal, als sie irgendwann entdeckt hat, dass ich ihre heißgeliebte Diamantenbrosche eingesackt hatte, und das tat mir auch fast ein bisschen leid, weil ich wusste, wie sehr sie an diesem Stück hing. Aber ein Junge braucht doch einen kleinen Notgroschen, wenn er sich in die weite Welt aufmacht, oder? Und ich hatte mir ja sogar vorgenommen, das hässliche Ding nur im äußersten Notfall zu versetzen und es ihr zurückzuschicken, sobald alles in trockenen Tüchern war. Zumindest war das noch der Plan, als ich in dieser sternenklaren Oktobernacht quer über ein Kürbisfeld Richtung Autobahn stapfte. Aber in dem Moment hatte ich ja noch keinen blassen Schimmer, was mir – und der Brosche – in den nächsten Wochen alles passieren würde.
Stattdessen fühlte ich mich so frei wie noch nie in meinem Leben, atmete die frische, kalte Herbstluft ein und bemühte mich, in der Dunkelheit möglichst wenige Kürbisse plattzutreten. Dass ich auch einige Monate nach meinem achtzehnten Geburtstag noch keinen Führerschein hatte, war zugegebenermaßen etwas hinderlich für meinen Fluchtplan. Andererseits hätte ich mir eh kein eigenes Auto leisten können, und von meinem Vater wollte ich