1. KAPITEL
Davina Hastings atmete tief durch und öffnete erleichtert die zu Fäusten geballten Hände. Sie fühlte sich in kleinen Flugzeugen furchtbar unbehaglich. In der achtsitzigen Maschine, mit der sie über dreihundert Meilen vom australischen Festland über den Südpazifik zurLord Howe-Insel geflogen war, hatte sie es als schrecklich beengend empfunden. Zu allem Überfluss hatte es gestürmt, weshalb Davina bei der Landung die Augen geschlossen hatte.
Als das Flugzeug Richtung Terminal rollte, schaute sie gespannt durch die ovale Luke, um einen ersten Eindruck vonLord Howe zu erhaschen. Sie hatte gehört, dass die Insel ein Juwel und ein Paradies für Fotografen sei, aber alles, was sie sah, waren nebelverhangene Berge. Noch dazu regnete es jetzt in Strömen.
„Tut mir leid, Leute“, sagte der Pilot, „aber keine Angst, das ist nur eine kleine Schlechtwetterfront, die nach Neuseeland zieht. Danach wird es wieder schön. Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Urlaub und bedanke mich, dass Sie mit uns geflogen sind.“
Davina verzog das Gesicht. Aus der Unterhaltung mit den anderen Passagieren wusste sie, dass sie als Einzige unter ihnen hier keinen Urlaub machte. Einen Moment wünschte sie inständig, sie wäre zu ihrem Vergnügen auf die Insel gekommen, aber ein Job war eben etwas anderes. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich, straffte die Schultern und machte sich zum Aussteigen fertig.
Wenig später lief sie das kurze Stück zum Terminal. Drinnen schüttelte sie sich die Regentropfen von Haar und Jacke und blickte in die Augen eines großen Mannes, der am Ankunftsschalter lehnte. Sofort bemerkte sie den typischen Gesichtsausdruck, den Männer bekommen, wenn sie eine Frau im Geiste ausziehen.
Mit ausdrucksloser Miene wandte Davina den Blick ab, obwohl sie innerlich vor Wut kochte, was sie eigentlich wunderte, da ihr so etwas schließlich nicht zum ersten Mal passierte. Tatsächlich amüsierte es sie sogar manchmal, wenn sie mit ihrer Figur, ihrem dunkelblonden Haar und den veilchenblauen Augen Aufmerksamkeit erregte. Davina, praktisch veranlagt und realistisch, hatten schon viele Männer erzählt, sie sei die Frau ihrer Träume, war aber selbst noch keinem begegnet, der sie ins Träumen hatte bringen können.
Sie mied weiterhin den Blick des Mannes und überlegte, ob er tatsächlich die Unverschämtheit besaß, ihre Qualitäten im Bett abzuschätzen, oder ob sie sich das nur einbildete. Schließlich schob sie die unangenehmen Gedanken beiseite und schaute sich suchend um. Eigentlich sollte sie ja abgeholt werden.
In der kleinen Halle herrschte rege Betriebsamkeit. Reiseführer riefen Gästenamen aus und kümmerten sich um das Gepäck der Neuankömmlinge. Ein Flughafenangestellter, anscheinend der Einzige, telefonierte gerade. Niemand jedoch schien Davina Hastings, engagiert als Hausangestellte für einen Mr. S. Warwick und dessen Familie, zu erwarten.
Davina nahm ihr Gepäck und sah sich noch einmal um. Allmählich leerte sich die Halle. Der Mann, der am Schalter gelehnt hatte, hatte sich halb abgewandt und blickte den Menschen nach, die das Gebäude verließen. Er wirkte gereizt.
Vom Rollfeld kam jetzt der Pilot herein und ging direkt auf sie zu. Dass er sie traf, schien ihn zu freuen, und er sagte lächelnd: „Ich dachte schon, ich hätte Sie verpasst. Wo wohnen Sie denn? Wir könnten zusammen zu Abend essen, ich bleibe nämlich über Nacht auf der Insel.“
Schon wieder einer, dachte Davina genervt und stellte fest, dass der Pilot in seiner schicken Uniform wenigstens gut aussah und ungefähr in ihrem Alter, fünfundzwanzig, sein musste. Unbefangen streckte er ihr die Hand hin und fuhr fort: „Davina Hastings, nicht wahr? Ich habe auf der Passagierliste nachgesehen, wo der Name Hastings nur einmal vorkam, und Sie waren die einzige Alleinreisende. Außerdem tragen Sie keinen Ehering. Deshalb dachte ich, fragen könnte ich ja mal!“
Unwillkürlich schaute Davina auf ihre unberingte Hand und wollte etwas erwidern, aber bevor sie etwas sagen konnte, hörte sie eine scharfe Stimme. „Hastings? Das darf doch nicht wahr sein! Sagen Sie bloß nicht, dass Sie Mrs. Hastings sind!“
Davina drehte sich langsam um, wusste aber schon, wer sie angesprochen hatte. Es beschlich sie das ungute Gefühl, dass der große, breitschultrige Mann Mr. S. Warwick war, ein Mann Mitte dreißig, der Dynamik ausstrahlte und aus seinem Ärger keinen Hehl machte. Seine abgewetzte Cordhose, der ausgebeulte Pullover und sein windzerzaustes Haar konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein weltgewandter Mens