Vorwort
„Heilen bedeutet nicht, dass man jemanden vollständig kuriert. Man hilft anderen einfach, ein Leben zu führen, das sich mit ihren individuellen Bestrebungen vereinbaren lässt und ihnen ihre Entscheidungsfreiheit zurückgibt – sogar dann, wenn sie dauerhaft krank sind.“
(René Dubos, Human Nature, 1978)
„Heute wird sicher ein guter Tag, weil ich weiß, wie ich ihn dazu machen kann.“
(Patty, nach ihrer Teilnahme am Schmerzmanagementprogramm)
Mehr als 20 Jahre nach Veröffentlichung der ersten Auflage wissen wir immer noch nicht genau, welche Mechanismen im Zusammenhang mit chronischen Schmerzen stehen, und kennen daher auch keine definitive Behandlung. Ein Grund dafür ist die außerordentliche Komplexität des körperlichen Schmerzsystems, das mit verschiedenen interpretativen, emotionalen und logischen Gehirnarealen zugleich interagiert. „Chronischer Schmerz“ bezeichnet eigentlich nureine Störung, doch in Wirklichkeit sind es Hunderte, die aber eines gemeinsam haben: eine monate- oder sogar jahrelange kontinuierliche Schmerzbotschaft. Als ich vor 30 Jahren damit begann, Schmerzpatienten zu behandeln, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass es im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts immer noch kein Heilmittel gegen chronische Schmerzen geben würde. Schmerz – dieses komplexe System, das uns vor Gefahren und Schäden warnt – ist von so essenzieller und anpassungsfähiger Natur, dass er jeden Aspekt des menschlichen Daseins tangiert. Von daher widersetzt er sich jeglicher Vereinfachung.
Das Zweite, was ich mir zu Beginn meiner Berufslaufbahn im Bereich der Schmerzmedizin nicht vorstellen konnte, war die Möglichkeit, dass ich eines Tages selbst ein Opfer chronischer Schmerzen werden könnte, doch Alter und Veranlagung taten das ihrige. Nach meiner anfänglichen Fassungslosigkeit („Das kann ja wohl nicht wahr sein!“), und der dann einsetzenden Angst („Ist das etwa Krebs?“) und Panik („Ich habe wirklich überhaupt keine Zeit für so etwas!“), konnte ich die Ironie, dass ausgerechnet eine Schmerzspezialistin unter chronischen Schmerzen leidet, mit Humor nehmen. Das Leben ging weiter, aber anders als vorher. So konnte ich die in diesem Buch enthaltenen Lektionen, in die all die Erfahrungen vieler tapferer Menschen eingeflossen sind, auf mich selbst anwenden und von den beschriebenen Fähigkeiten Gebrauch machen. Zum Glück ließ mir meine praktische Einstellung wenig Zeit für Verzweiflung. So kann ich das folgende Programm aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung heraus empfehlen, in der Hoffnung, dass auch Sie davon profitieren werden.
Auch wenn es derzeit noch kein Heilmittel gegen die meisten chronischen Schmerzleiden gibt, konnten im Lauf der Jahre seit Erscheinen der ersten Auflage einige Schichten des Rätsels um das Schmerzsystem abgetragen werden. Diese neuen Erkenntnisse geben allen Betroffenen Hoffnung und sind mit eine Erklärung dafür, warum ein vielseitiger Interventionsansatz zum Schmerzmanagement, wie er hier beschrieben wird, effektiv sein kann und es auch künftig sein wird. Denn die Wissenschaft unterstützt die Vorstellung, dass Überzeugungen, Konditionierung und die Art zu denken die Wahrnehmung von Schmerz beeinflussen und Methoden wie Achtsamkeit, kognitive Verhaltenstherapie und imaginative Psychotherapie anormale Nervenbahnen potenziell verändern können (Neuroplastizität).
Diese neuen Beobachtungen sowie