Udo Braun kam mit einem riesigen Strauß roter Rosen und einer Flasche Champagner. Er trug einen weißen Anzug mit passendem
dunklen Hemd und wirkte darin richtig elegant.
Selbst Gudrun Eschenbach, die ihn seit Jahren kannte und wußte, welchen Wert er auf gutes Aussehen legte, war überrascht.
»Hallo, so förmlich?« fragte sie amüsiert. Als sie ihren Geschäftsführer am Vormittag auf ein Glas Wein eingeladen hatte, dachte sie nur an eine zwanglose Unterhaltung.
»Das hat seinen Grund«, versicherte Udo lächelnd. Mit großzügiger Geste überreichte er Gudrun den Strauß. »Für die schönste Frau, der ich je begegnet bin«, meinte er charmant. Dabei versuchte er, seiner Chefin in die Augen zu sehen, doch sie wich seinem Blick aus.
»Du übertreibst«, murmelte sie und roch an den fast noch geschlossenen Blütenknospen. Sie dufteten nicht, aber sie waren zweifellos von der teuersten Sorte.
»Nein, ich sage die Wahrheit. Aber du bist viel zu bescheiden. Eine Frau, schön, intelligent und vermögend wie du…« Udos dunk-le Augen strahlten Gudrun an.
Wenn sie etwas an Udo nicht mochte, dann waren es seine übertriebenen Schmeicheleien. Deshalb wandte sie sich ab, um die Blumen zu versorgen. »Geh’ schon hinüber. Ich komme gleich«, sagte sie lebhafter, als dies sonst ihre Art war.
Das selbstsichere Lächeln verschwand aus Udos markantem Gesicht. Enttäuscht strich er sich
die dauergewellten dunkelblonden Haare zurück und fuhr mit dem Finger über das gepflegte Oberlippenbärtchen, das ihm Ähnlichkeit mit einem bekannten Filmschauspieler gab. »Bekomme ich denn keinen Kuß?« erkundigte er sich mit leichtem Vorwurf in der Stimme.
»Doch, selbstverständlich.«
Gudrun holte das Versäumte nach und küßte Udo auf den Mund. Schon seit mehr als einem Jahr unterhielt sie zu ihrem Geschäftsführer ein lockeres Verhältnis. Sie verbrachten häufig die Freizeit miteinander, doch die große Liebe war es nicht. Nachdem Gudrun von ihrem Ehemann schwer enttäuscht worden war, glaubte sie ohnehin nicht mehr an solche Gefühle.
Udo nützte die Gelegenheit und hielt die zierliche junge Frau fest. »Ich habe es zwar schon oft gesagt, möchte es aber wiederholen: Ich liebe dich, Gudrun.«
Das war eine Aussage, der die junge Unternehmerin nur schwer glauben konnte. Sie war der Ansicht, daß Udo mehr ihr Vermögen liebte, daß es sein Wunsch war, Chef der Eschenbach-Werke zu werden.
Durch eine rasche Drehung befreite sie sich aus Udos Armen und tat, als hätte sie seine Aussage gar nicht gehört.
Es war nicht das erste Mal, daß Gudrun den Annäherungsversuchen ihres Geschäftsführers auf diese Weise auswich. Das gedachte er heute abzustellen. Deshalb der üppige Blumenstrauß und die Flasche Champagner, deshalb auch die festliche Kleidung. Udo vertraute auf sein gutes Aussehen und seine männliche Ausstrahlung. Mit seinen 45 Jahren hatte er eine reichhaltige Erfahrung bei den Damen, was bestimmt sehr hilfreich war.
Im großen Wohnraum, der noch mit den schönen alten Möbeln von Gudruns Eltern ausgestattet war, nahm Udo zwei Gläser aus dem Schrank und öffnete die Flasche.
Er schenkte ein, als Gudrun mit den Blumen kam und die Vase sorgfältig auf den niedrigen Tisch neben der Couch stellte.
»Hübsch siehst du aus. Ich schaue dir so gerne zu. Du be-
wegst dich mit einer Anmut, die mich fasziniert«, raunte er schmeichelnd.
Gudrun reagierte auf solche Äußerungen skeptisch. Sie wußte zwar, daß sie eine gute Figur hatte und ein hübsches Gesicht, doch sie vergaß auch nie, daß die Fabrik, die sie von den Eltern geerbt hatte, für Udo Braun Anreiz genug war, ihr etwas vorzuschwindeln.
»Wie sind die Verhandlungen mit dem Kaufhauskonzern gelaufen?« lenkte Gudrun ab. Sie hatte Braun als Geschäftsführer eingestellt und ihm alle nötigen Vollmachten übertragen, um genügend Zeit für ihr jetzt neunjähriges Töchterchen Cornelia zu haben. Sie wollte das Kind nicht von Fremden betreuen lassen. Die Leitung der Firma einem Geschäftsführer zu übertragen, erschien ihr als das kleinere Übel.
»Alles bestens«, prahlte Udo. Selbstbewußt hob er den Kopf mit den perfekt gestylten dunkelblonden Locken. »