Bereits am folgenden Tage hatte der Chevalier seinen Besuch bei Madame Balin angekündigt. Ich war bereits vorher über sein Kommen unterrichtet worden und kam kurz nach ihm bei meiner Freundin an.
Kaum hatte er mich entdeckt, wich er auch schon nicht mehr von meiner Seite und überschüttete mich mit Komplimenten.
Es täte ihm außerordentlich Leid, mir Kummer bereitet zu haben, betonte er immer wieder. Er habe schlaflose Nächte zugebracht und sich mit dem Gedanken gequält, sich nun vorwerfen zu müssen, der Urheber meines Unglücks zu sein. Alles nur Menschenmögliche würde er tun, um seinen Fehler wieder gutzumachen. Ich solle ihm nur sagen, was ich als Sühne von ihm verlange, er werde alles daran setzen, mir sofort und ohne jedes Zögern zu Willen zu sein.
Ich freute mich sehr, dies aus seinem Munde zu vernehmen, war es doch genau das, was ich hören wollte. Ich machte ein trauriges Gesicht und bemühte mich, auch meiner Stimme den Klang sehnsüchtiger Wehmut zu verleihen, als ich ihm antwortete, dass mich seine Worte unendlich getroffen hätten.
Nach dieser wundervollen Liebesnacht mit ihm wäre mir beinahe das Herz gebrochen, als er mir so gefühllos eröffnet hatte, dass er mir für seine Treue nicht garantieren könne und dass es in seinem Naturell liege, sein Vergnügen immer wieder bei anderen Frauen zu suchen.
Meine Hingabe in jener Nacht und meine zärtliche Begrüßung danach würden ihm meine innigen Gefühle für ihn wohl mehr als genug beweisen.
Aber trotz meiner Liebe könne ich mich nicht mit einem Mann einlassen, der mir nicht alleine gehörte und bereits von sich selbst sage, dass er zu unbesonnenen Handlungen neige.
Der Chevalier war bis zur Verblendung eitel und deshalb auch sofort von der Aufrichtigkeit meiner Worte überzeugt.
Da er also annahm, ich sei ihm ohnehin mit Haut und Haaren verfallen und vollkommen ergeben, hielt er es scheinbar nicht einmal für nötig, irgendeine Ausrede für sein schändliches Betragen anzuführen, sondern bat mich sofort um ein neues Zusammentreffen. Er fragte mich, wann ich denn Gelegenheit hätte, ihn in meiner Wohnung zu empfangen, und gab seinem Wunsch Ausdruck, dass dies möglichst bald der Fall sein würde, weil er darauf brenne, mich leidenschaftlich und angemessen um Verzeihung zu bitten und alles, was er an mir verbrochen habe, möglichst rasch vollständig unvergessen machen zu können.
Ich flüsterte ihm ins Ohr, dass mir der Donnerstagabend sehr gut passen würde und dass ich ihn gerne bei einem kleinen Diner bei mir sehen und mir seine Entschuldigungen anhören würde. Allerdings nur, wenn er mir vorher verspräche, auch ganz bestimmt brav bleiben zu wollen.
»Ich bin freudig überrascht von ihrer unerwarteten Großherzigkeit und Milde, meine Liebe! Und ich werde mich nach Kräften bemühen, Sie nicht wieder zu enttäuschen, das gelobe ich!”
»Nun denn, lieber Chevalier, wir sehen uns also am Donnerstag!«
Er verabschiedete sich, indem er mich noch einmal mit tausenden Komplimenten bedachte und mir schwor, niemandem etwas von unserer Verabredung erzählen und mir auch ganz bestimmt treu sein zu wollen.
Ich frohlockte, dass es so ein Leichtes gewesen war, ihn in die Falle tappen zu lassen, und hatte meine liebe Not damit, mir meine Schadenfreude nicht anmerken zu lassen und am Ende doch noch alles dadurch zu verderben.
***
Obwohl es durch die Vielzahl an Gästen bei Madame Balin eigentlich jede Menge Zeugen unseres Gesprächs hätte geben müssen, hatte doch niemand etwas davon mitbekommen, weil sich alle an den Spieltischen befanden und nur wir alleine in einem stillen Winkel zurückgeblieben waren.
Ich blieb an diesem Nachmittag länger als alle anderen bei Madame Balin, und als sich endlich auch der Letzte verabschiedet hatte, konnte ich ihr berichten, was sich zwischen mir und Sainfort zugetragen hatte. Ich nannte ihr Ort und Zeitpunkt des vereinbarten Stelldicheins und wir ersannen gemeinsam folgenden Plan: Die Aufgabe von Madame Balin sollte es sein, unsere Mitverschwörerinnen an besagtem Abend zu sich einzuladen. Gegen zehn Uhr am Abend sollten sie alle gemeinsam zu mir nach Hause kommen.
Mein Part sollte darin bestehen, dafür Sorge zu tragen, dass sie von einem meiner Diener, unbemerkt und ohne Sainforts Aufmerksamkeit zu erregen, eingelassen werden würden. In meinem Haus sollten sie in einem Salon warten, der sich unmittelbar