Kapitel 1
Geld regiert die Welt.
Die Schotten sagen, dass eine Geschichte interessanter wird, je öfter man sie erzählt. Und die Geschichte von Merrick MacLachlan war wohl schon tausendmal erzählt worden. In den Salons, in den Klubs und in den Hinterzimmern Londons war MacLachlan von Jahr zu Jahr reicher, rätselhafter und bösartiger geworden.
Jene, die Geschäfte mit Black MacLachlan machten, taten dies auf ehrliche Weise, wenn auch mit einem nicht zu leugnenden Maß an Beklommenheit. Einige von ihnen wurden bei diesen Geschäften reich - getreu dem Grundsatz, dass Geld nicht stinkt. Anderen erging es weniger gut, und deren Geschichte wurde meistens nur vor demInsolvent Debtor's Court erörtert. Miss Kitty Coates hatte von solchen Dingen keine Ahnung, und sie konnte das Wort ›insolvent‹ nicht einmal buchstabieren. Aber das spielte auch keine Rolle. Denn vom Lohn der Geschäfte, die sie mit MacLachlan machte, gab sie einen reichlichen Teil an ihre Puffmutter ab.
Im Augenblick jedoch hatte Kitty Besseres zu tun, als über ihr Unvermögen beim Buchstabieren nachzudenken. Denn die Strahlen der tief stehenden Nachmittagssonne fielen durch die Fenster von MacLachlans Schlafkammer und warfen ihr grelles Licht auf die nackten Schultern des Gentleman. Und auch auf die Narben auf seinen Schultern und seinem Rücken, die sich kreuz und quer über die festen Muskeln zogen. Kitty war schon seit Langem an diesen Anblick gewöhnt. Sie spreizte ihre Finger weit in das weiche dunkle Haar, das seine Brust bedeckte und hielt sich daran fest, während sie auf ihm ritt.
Im Büro schlug eine Uhr fünf Mal. Mit drei, vier harten Stößen brachte MacLachlan die Sache zu Ende, schob Kitty von sich herunter und legte den muskulösen Arm über seine Augen. Die Botschaft war unmissverständlich.
»Wir müssen nicht sofort aufhören, Mr. MacLachlan, oder?« Kitty drehte sich zu ihm herum und fuhr mit der Fingerspitze leicht über die Narbe, die sich wie die Klinge eines Krummschwertes über seine Wange zog. »Ich könnte noch ein wenig bleiben - sagen wir, zwei Pfund für die ganze Nacht?« Ihre Fingerspitze strich wieder nach oben. »Wir hatten doch bisher eine schöne Zeit, Sie und ich.«
MacLachlan schlug die Decke zurück, drehte sich von Kitty weg und erhob sich aus dem schmalen Bett. »Zieh dich an, Kitty.« Seine Stimme klang emotionslos. »Nimm die Hintertreppe, wenn du gehst. Meine Leute sind noch im Büro.«
Ihr Gesicht erstarrte, aber sie sagte nichts. MacLachlan stand vor dem Bett und biss die Zähne zusammen, um dem Schmerz in seinem Bein zu trotzen. Er machte keinen Schritt, bis er sicher war, dass er nicht humpeln würde. Erst dann ging er in sein Ankleidezimmer und wusch sich sorgfältig.
Als er zu zurückkam, um sich anzuziehen - seine Kleider lagen sorgsam zusammengefaltet auf einem Stapel -, zwängte sich Kitty gerade in ihr zerknittertes rotes Kleid. Sie hatte die Augenbrauen eng zusammengezogen und machte eine finstere Miene. »Wie lange komm ich schon hierher, Mr. MacLachlan?«
MacLachlan unterdrückte einen Seufzer der Verzweiflung. »Ich habe keine Ahnung, Kitty.«
»Nun, ich weiß genau, wie lange schon«, sagte sie mürrisch. »Vier Monate und zwei Wochen, auf den Tag.«
»Ich habe dich bisher nicht für sentimental gehalten.« MacLachlan war damit beschäftigt, seine Unterhosen anzuziehen.
»Jeden Montag und jeden Donnerstag seit dem 1. Februar«, redete Kitty weiter. »Und in der ganzen Zeit haben Sie kaum ein Dutzend Worte mit mir geredet.«
»Mir war nicht bewusst, dass du den weiten Weg von Soho hierher machst, um Konversation zu betreiben«, entgegnete er und faltete seine Hose auseinander. »Ich dachte, du kämst wegen des Geldes.«
»Ja, n