1. KAPITEL
Die Tür der einfachen Hütte wurde ungestüm aufgerissen. Hugh schickte sich an, vom Pferd zu steigen, hielt indes bei dem Geräusch inne und beäugte vorsichtig die alte Frau, die ihn jetzt von der Tür aus beobachtete.
Eada. Sie musste sehr alt sein; ihre Schultern waren von den Jahren gebeugt, ihre Finger und Hände verschrumpelt. Langes weißes Haar legte sich wie ein Umhang um ein runzeliges, von tiefen Falten durchfurchtes Gesicht. Nur die kobaltblauen Augen wirkten wachsam und kein bisschen gealtert. Sie bargen ein Wissen, das beunruhigend war.
Wenn sie dir in die Augen schaut, sieht sie bis auf deine Seele und erkennt deine Fehler wie auch deine Vorzüge. Im Bodensatz deines Weinkelchs kann sie dir die Zukunft vorhersagen, und in den Linien deines Gesichts vermag sie deine Vergangenheit zu lesen.
All diese Warnungen waren Hugh bekannt, und doch zuckte er innerlich zusammen, als er in die Augen der alten Hexe blickte. Sein ganzer Leib wurde von einem namenlosen Unbehagen befallen, als er sich ausmalte, dass sie wirklich in ihn hineinschaute und seine Gedanken las. Einen Moment lang schlug sie Hugh nur mit der Macht ihrer durchdringenden Augen in ihren Bann, bevor sie sich von ihm abwandte und wieder in der Hütte verschwand. Sie ließ die Tür offen – zweifellos eine Einladung, ihr zu folgen.
Hugh atmete erleichtert auf, nachdem das alte Weib sich in das Dunkel der Behausung zurückgezogen hatte, und blickte zu seinem Begleiter hinüber, der sein Ross neben ihm zum Stehen gebracht hatte: Lucan D’Amanieu, sein alter Freund und Vertrauter. Hugh hätte es gern gesehen, wenn sein Gefährte die törichten Vorahnungen zerstreut hätte, die unversehens in ihm hochstiegen. Mit einem Male war in ihm der alte Glaube aus Kindheitstagen an Hexen und unheimliche, verwunschene Orte wieder zu neuem Leben erwacht. Er hatte sich darauf verlassen, dass Lucan belustigt eine Braue hochziehen und irgendeine spöttische Bemerkung machen würde, um das Gefühl der Beklemmung als unbegründet erscheinen zu lassen, doch wie es schien, war auch sein vernunftbegabter Freund an diesem Tag von unheimlichen Einbildungen erfasst. Anstatt ihn zu beruhigen, war Lucan beklommen zumute.
„Glaubst du, sie weiß es?“, fragte er.
Hugh erschrak. Bislang war ihm der Gedanke gar nicht gekommen, dass die Alte alles wissen könnte. Jetzt zog er die Möglichkeit in Betracht und starrte die Hütte an. „Nein“, sagte er schließlich. „Woher sollte sie?“
„Fürwahr“, pflichtete Lucan ihm bei, als sie abstiegen, aber seiner Stimme fehlte jegliche Überzeugung.
Das alte Weib machte sich an der Feuerstelle zu schaffen, als die Gefährten die Kate betraten, und so hatten sie Gelegenheit, sich ein wenig umzuschauen.
Hatte die Hütte von außen auch schäbig und verfallen gewirkt, im Innern war sie sauber und recht einladend. Auf einem grob gehauenen Tisch an einem Ende des Raums standen Blumen in einer Holzschale, während eine schmale Bettstatt die gegenüberliegende Wand säumte. Vor der Wand genau gegenüber dem Eingang befand sich die Kochstelle, und dort stand die Frau und schürte das Feuer. Schließlich begab sie sich zum Tisch und ließ sich schwer auf einen der drei einfachen Stühle fallen. Mit einer kurzen Geste bedeutete sie Hugh und Lucan, sich ebenfalls zu setzen.
Nach kurzem Zögern nahm Hugh gegenüber der Frau Platz und saß mit dem Rücken zur Tür. Lucan setzte sich neben die Alte und behielt die Tür im Auge, falls irgendjemand hereinkommen sollte. Dann warteten sie geduldig, dass die Frau sie nach dem Grund ihres Kommens fragen würde, doch stattdessen griff sie nach dem Weinkrug in der Mitte des Tischs und füllte zwei Becher. Dabei schenkte