1. KAPITEL
Ziemlich ratlos fuhr Holly an den Straßenrand, öffnete eine Flasche Mineralwasser und überlegte, was sie nun tun sollte. Sie könnte natürlich die ausgebreitete Straßenkarte auf dem Beifahrersitz studieren. Aber dann müsste sie sich selbst eingestehen, dass sie sich hoffnungslos verfahren hatte. Das brachte sie nicht über sich. Jedenfalls noch nicht. Sie trank einen großen Schluck Wasser und atmete tief durch.
Holly Stone wusste immer ganz genau, wo sie sich befand, woher sie kam und wohin sie wollte. Zwar hatte ihr diese Überzeugung den Ruf eingebracht, ziemlich stur zu sein. Aber sie konnte nichts daran ändern.
Im Moment jedoch hatte sie nicht die geringste Ahnung, wie sie nach Little Paradise gelangen sollte. Es war vielleicht eine gute Idee, das Handy einzuschalten. Aber wen sollte sie anrufen? Jemanden aus ihrer Familie? Ganz bestimmt nicht. Ihr Anruf wäre ein gefundenes Fressen für jeden Einzelnen von ihnen. Holly, das hübsche blonde Dummerchen, hat sich verfahren.
Ihre Eltern trauten ihr sowieso nichts zu und würden nur einmal mehr resigniert den Kopf schütteln. Und ihre geliebten Geschwister würden triumphierend fragen, ob sie es nicht für nötig gehalten hätte, vor der Fahrt auf die Karte zu sehen. Holly, die immer planlos loslegte und eine Sache ruinierte, noch bevor sie richtig begonnen hatte.
Nein. Sie konnte jetzt niemanden aus ihrer Familie gebrauchen. Und auch keine guten Ratschläge und kritischen Kommentare.
Und enge Freunde? Holly musste sich eingestehen, dass sie keine hatte. Sie öffnete sich ihren Mitmenschen gegenüber nur zögerlich. Der Umgang mit anderen Menschen fiel ihr schwer. Das war schon im Kindergarten so gewesen. Ihre Schwierigkeiten, einvernehmlich mit den anderen Kindern zu spielen, hatten sich in der Schule fortgesetzt. Und später, im Berufsleben, hatte sich das Problem eher verstärkt. In keinem ihrer Jobs – und sie hatte bisher einige davon gehabt – war sie mit ihren Kollegen wirklich gut zurechtgekommen. Sie hatte in ihrem jungen Leben in einer Bank gearbeitet, in einer Fotoagentur, in einem Buchverlag und zuletzt als Bürokraft in einer kleinen privaten Fluggesellschaft.
Nirgendwo war sie bei ihren Vorgesetzten oder Kollegen wirklich beliebt gewesen. Vielleicht lag es daran, dass sie immer versuchte, ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Besonders Männer schienen das nicht besonders zu mögen.
Aber sie war eben, wie sie war. Mit einem Schulterzucken stieg Holly aus dem Wagen, um sich ein wenig die Füße zu vertreten. Es war ein langer Weg von Südkalifornien bis zu dieser gottverlassenen Gegend hier in Arizona. Nach acht Stunden Fahrt mit nur kurzen Unterbrechungen taten ihr allmählich Beine und Rücken weh.
Die Sonne blendete sie, und die Hitze machte ihr sofort zu schaffen, als sie den Wagen verlassen hatte. Unschlüssig blickte sie sich um und ging ihre Möglichkeiten durch. Die schienen leider sehr eingeschränkt zu sein. Sie befand sich ganz allein inmitten der Wüste von Arizona, umgeben von nichts als Eidechsen, Kakteen und Präriegras. Sie tat bestimmt gut daran, einen kühlen Kopf zu bewahren. Zumindest ein Versuch konnte nicht schaden.
Sie würde sich wie immer einfach darauf konzentrieren, gut auf sich achtzugeben. Darin hatte sie Übung. Sie würde die Straßenkarte zu Hilfe nehmen und den Weg nach Little Paradise finden. Es konnte schließlich nicht mehr weit sein.
Sie setzte sich wieder ins Auto und schaltete die Klimaanlage an. Dann tupfte sie sich den Schweiß von Schläfen und Nacken. Fast augenblicklich fühlte sie sich besser.
Sie hatte