: Karl Heinz Brisch
: Die Macht von Gruppenbindungen Ressourcen und Sicherheit, Gefahren und Fanatismus - Möglichkeiten der Therapie und Prävention
: Klett-Cotta
: 9783608115017
: 1
: CHF 36.30
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 280
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Säugling unterhält nur zu ganz wenigen Personen, etwa zu seinen Eltern, Bindungsbeziehungen. Im Laufe des Lebens gewinnen Bindungserfahrungen mit Gruppen immer stärker an Bedeutung. Daher setzt sich dieser Band mit den heilenden und den zerstörerischen Aspekten im Zusammenhang von Bindung und Gruppen auseinander: International renommierte Forscher und Kliniker berichten aus ihren Studien und Erfahrungen und zeigen Wege zur Prävention auf. Im Laufe des Lebens gewinnen Bindungserfahrungen mit Gruppen immer stärker an Bedeutung, etwa in der erweiterten Familie, im Kindergarten, in der Schule, später mit Peer-Gruppen in der Adoleszenz, mit Arbeitsgruppen im Berufsleben, in Vereinen, Parteien oder Religionsgemeinschaften. Menschen können diese Gruppenbindungen als eine große Ressource und emotionale Sicherheit erleben, die Bindungsbeziehungen in und an Gruppen können aber auch gestört sein.• Wie entsteht so etwas?• Welche Faktoren schützen?• Wie kann man neue, sichere Beziehungen in Gruppen aufbauen?• Wie entsteht Radikalisierung in Gruppen?• Was müssen Pflege- und Adoptiveltern wissen, damit ein Kind nach Gewalterfahrungen, eine sichere Bindung entwickeln kann?• Welche Formen der Begleitung, Beratung, Therapie und Prävention sind für Menschen hilfreich, die aus Gruppen aussteigen wollen, in denen sie traumatisiert wurden.

Karl Heinz Brisch, Univ.-Prof., Dr. med. habil., ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Neurologie; Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Gruppen; Ausbildung in spezieller Psychotraumatologie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Er war bis 2020 Vorstand des weltweit ersten Lehrstuhls für Early Life Care und leitete das gleichnamige Forschungsinstitut an der PMU in Salzburg. Seine klinische Tätigkeit und sein Forschungsschwerpunkt umfassen den Bereich der frühkindlichen Entwicklung und der Psychotherapie von bindungstraumatisierten Menschen in allen Altersgruppen. Brisch leitete über viele Jahre die Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München und entwickelte dort das MOSES®-Therapiemodell zur erfolgreichen Intensiv-Psychotherapie von früh traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Er entwickelte die Präventionsprogramme »SAFE® - Sichere Ausbildung für Eltern« und »B.A.S.E® - Babywatching«, die inzwischen in vielen Ländern Europas, aber etwa auch in Australien, Neuseeland und Russland Verbreitung gefunden haben.  Brisch ist Gründungsmitglied der »Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit« (GAIMH e. V. - German-Speaking Association for Infant Mental Health) und war dort viele Jahre lang im Vorstand. Die GAIMH ist eine Tochtergesellschaft der WAIMH - World Association for Infant Mental Health. Bis 2022 organisierte er die jährlich stattfindende renommierte Internationale Bindungskonferenz (www.bindungskonferenz.de) so wie von 2018 bis 2021 die Internationale Early Life Care Konferenz in Salzburg (www.earlylifecare.at). Brisch verbreitet die Inhalte und Ergebnisse der Bindungs- und Traumaforschung und -psychotherapie auch durch viele Publikationen, Vorträge und die Teilnahme an zahlreichen Radio- und Fernsehsendungen (www.khbrisch.de).

Heidi Simoni

Frühe Kinderwelten: Bereits Säuglinge und Kleinkinder spielen und lernen zusammen


Was brauchen sie dafür von uns?

Einleitung


Entwicklungspsychologische Erkenntnisse korrespondieren mit einem Bildungsverständnis und frühpädagogischen Konzepten, die den Blick auf Kleinstkinder als Subjekte ihrer Entwicklung und auf die Bedeutung früher Kinderwelten richten. Bereits Säuglinge zeigen in Gruppen mit Gleichaltrigen bemerkenswerte Verhaltensweisen. Kinder ab dem zweiten Lebensjahr erweitern und üben ihr Repertoire sozialer Kompetenzen mit anderen Kindern unermüdlich. Dies gilt für die als prosozial bezeichneten Fähigkeiten wie Mitgefühl zeigen, helfen, trösten, Rücksicht nehmen und kooperieren ebenso wie für Fähigkeiten, die eigenen Interessen gegenüber anderen zu vertreten, sich durchzusetzen, Kompromisse auszuhandeln und sich in konflikthaften Situationen emotional zu regulieren. Der Austausch mit vertrauten Kindern ermöglicht offensichtlich Erfahrungen, die das Lernen in Kind-Erwachsenen-Settings essentiell ergänzen.

Koregulation – Regulation – Lernen


Dass das Kleinkind bei der Regulation seines Befindens ausreichend unterstützt wird, ist für die frühe Entwicklung und über die gesamte Lebensspanne hoch bedeutsam. Es handelt sich dabei allerdings von Anfang an um einen gegenseitigen Regulationsprozess (vgl. dazuGianino & Tronick 1988). Die Abstimmung zwischen Bezugsperson und Baby sorgt für die Erfahrungen, welche die Basis für die sich rasch erweiternden Fähigkeiten zur Selbstregulation und Selbststeuerung des Säuglings sind. Diese Kompetenzen wiederum sind für das weitere Lernen und die Bildungsbiografie eines Menschen außerordentlich wichtig. Sogar mit einem kurzen Laborexperiment ließ sich zeigen, dass Kinder in entspanntem Zustand flexibel auf eine Herausforderung reagieren können, sich dagegen rigide verhalten, wenn sie gestresst sind (bzw. wurden). Sie zeigen dann ein eingeschränktes Repertoire an Strategien, was das Lösen einer Aufgabe behindert (Seehagen et al. 2015).

Die überaus große Bedeutsamkeit liebevoller, aufmerksamer und verlässlicher Zuwendung kann den Blick leicht zu eng auf Fürsorge- bzw. Bindungsverhalten lenken. In einem Forschungsprojekt renommierter Bindungsforscher zeigte sich jedoch, dass neben der Qualität der Bindung weitere elterliche Merkmale, beispielsweise ihres Verhaltens im Spiel mit den Kindern, für die Entwicklung bis ins Jugendalter relevant sind (Grossmann & Grossmann 2005).

Das Bindungskonzept liefert einen sehr guten Bezugsrahmen, wenn es nicht verkürzt verwendet wird, sondern – wie darin angelegt – Motive und Verhaltensweisen der kindlichen Suche nach Beruhigung und Sicherheit wie nach Erregung und Anregung berücksichtigt werden. So befasst sich etwa das sogenannte Zürcher Modell zum Bindungskonzept ausdrücklich mit der Rolle und Entwicklung v