: Attila Jo Ebersbach
: Der Fremde im Zug Biblische Gleichnisse ins Heute übertragen.
: Gerth Medien
: 9783961223381
: 1
: CHF 10,10
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: Anthologien
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was wäre, wenn Jesus heute unter uns leben und seine Gleichnisse erzählen würde? Und zwar nicht in Galiläa, sondern hier in Deutschland. Würde er andere Worte benutzen als die vor rund zweitausend Jahren? Würde er andere Vergleiche heranziehen, um den Menschen seine Botschaft zu bringen? Diesen spannenden Fragen ist Attila Jo Ebersbach nachgegangen. Dabei hat er die wohl bekanntesten Kurzgeschichten der Welt in unsere moderne Zeit übertragen und die Kernaussagen der Gleichnisse prägnant auf den Punkt gebracht. Lassen Sie sich ein auf 20 Episoden mit höchst überraschender Wirkung.

Attila Jo Ebersbach wurde 1943 in einem Opernsängerhaushalt in Görlitz geboren. Nach seinem Studium der Architektur und Malerei arbeitete er als Berufsmusiker, Architekt, Grafikdesigner und Geschäftsführer einer Werbeagentur. Seit 2004 schreibt er hauptberuflich und ist als freiberuflicher Korrektor und Layouter für mehrere Verlage tätig.

Der weggeworfene Ehering

Es war ein herrlicher Sommer. Seit einer ganzen Woche schon schien die Sonne vom blauen Himmel herab und kein Wölkchen trübte die fast kitschig zu nennende Postkartenidylle. Eine leichte Brise machte die Hitze erträglich und ließ das spiegelglatte Wasser des Ederstausees sich hin und wieder etwas kräuseln.

Wir, meine Frau und ich, hatten beschlossen, unseren diesjährigen Urlaub an eben diesem See zu verbringen, da wir uns im Herbst zuvor eine Varianta zugelegt hatten, ein 6,50 Meter langes Kajütsegelboot mit ausreichend Platz und genügend Ausrüstung, um darin auch einen längeren Urlaub verbringen zu können. Nun wollten wir die Probe aufs Exempel machen.

Ich konnte schon seit ein paar Jahren segeln und kannte auch die Vorfahrtsregeln, dennoch nutzte ich die Gelegenheit, um bei einer Segelschule den A-Schein zu machen.

Der praktische Teil machte mir daher kein Kopfzerbrechen. Aber die Theorie! Dazu mussten wir Segelschüler ein umfangreiches Buch mit allen möglichen Regeln, Bestimmungen und Gesetzen durcharbeiten, fast noch mehr als beim Führerschein fürs Auto.

Es waren nur noch drei Tage bis zur theoretischen Prüfung und ich hatte mir vorgenommen, mich ausgiebig in das Buch zu vertiefen.

Wir lagen an unserem Steg im Waldecker Becken, vor uns die Hopfenberginseln und über uns die imposante Burg Waldeck. Die Sonne stand bereits ziemlich hoch, und über dem See hing eine bleierne Stille. Es war Montag, und die Ferien waren schon vorbei, daher war an diesem Tag am See nicht viel los. Nur aus der Ferne, vom Wildpark auf dem Hammerberg, drang ab und zu das Röhren eines Hirsches zu uns herüber.

Wir hatten gerade unser Frühstück beendet und ich reichte meiner Frau das Geschirr aus der Plicht in die Kajüte. Während sie mit dem Abwasch begann, griff ich seufzend nach dem Lehrbuch und begann lustlos, darin zu lesen.

Als sie mit dem Aufräumen in der Kajüte fertig war, kam sie wieder raus zu mir.

„Wie? Du bist ja immer noch am Lernen“, wunderte sie sich und setzte sich mir gegenüber. Die Ellbogen auf dem Tisch aufgestützt, das Kinn auf den Fäusten, schaute sie mich mit säuerlicher Miene von unten herauf an.

Schlecht gelaunt, weil ich lernen ja so sehr liebe, brummte ich, ohne aufzusehen, nur: „Hm.“

„So hab ich mir unseren Urlaub aber nicht vorgestellt“, meinte sie darauf. „Ich dachte, wir unternehmen was zusammen. Fahren raus zum Baden, in