: Helmut Brandstätter, Wolfgang Brandstetter
: Brandstätter versus Brandstetter Diskurs
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218011389
: 1
: CHF 8.90
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 220
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mitte der 1970er Jahre trafen einander zwei Studenten an der juristischen Fakultät der Universität Wien, beide aus katholischem Elternhaus, beide politisch interessiert. Sie engagierten sich in der Österreichischen Studentenunion, einer Studentenpartei, die der ÖVP nahe-, aber auch immer wieder mit ihr in Konflikt stand. Der eine, Helmut Brandstätter, wurde ÖH-Vorsitzender, der andere, Wolfgang Brandstetter, sein Pressesprecher. 40 Jahre später waren die Rollen vertauscht: Brandstetter war als Justizminister Politiker, Brandstätter als Chefredakteur des KURIER Journalist. In ihrem Buch sprechen die beiden über ihre Herkunft, ihre Familien, berufliche Erfahrungen und über die Frage, ob es eine Freundschaft zwischen einem Politiker und einem Journalisten geben kann. Aber es kommt auch zur Sprache, wie der Beruf des Politikers den Menschen verändert, ob Politiker manchmal lügen müssen und wie schwierig der Abschied von der Macht ist. Und schließlich erzählen beide von Begegnungen, die für ihren Beruf und ihr Leben prägend waren. Ein auch zeitgeschichtlich interessantes und anregendes Zwiegespräch zweier Zeitzeugen, die - wenn auch oft aus unterschiedlicher Perspektive - vieles gemeinsam erlebt haben.

Helmut Brandstätter, geboren 1955, studierte Jus an der Universität Wien. Von 1982 bis 1997 beim ORF in Wien, Bonn und Brüssel (1995 Gründung und Moderation ORF-Report). 1997 bis 2003 Geschäftsführer n-tv, Berlin, 2003 bis 2005 Geschäftsführer PulsTV. 2005-2010 Gründung und Leitung einer Beratungs- und Kommunikationsagentur. Seit 2010 Chefredakteur, seit 2013 auch Herausgeber des KURIER. Wolfgang Brandstetter, geboren 1957, studierte Jus an der Uni Wien und praktizierte nach seiner Habilitation 1991 auch als Strafverteidiger. Von 1998 bis 2007 Professor am Institut für Strafrecht der Uni Wien, danach Vorstand des Instituts für Europäisches und Österreichisches Wirtschaftsstrafrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. 2018 Verfassungsrichter und Special Advisor der EU-Justizkommissarin.

KAPITEL 2


ÜBER DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN POLITIKERN UND JOURNALISTEN


»Wie kann man bei persönlicher Nähe
sachlich bleiben?«

Helmut Brandstätter

Als Berufspolitiker ist ja wahrscheinlich die große Gefahr, dass man, wie in anderen Karrieren auch, den nächsten Schritt machen möchte. Aber es kann nicht jeder Bundeskanzler werden. Interessant ist, dass wir jetzt einen Bundeskanzler haben, der ein reiner Berufspolitiker ist, der aber ausschließlich Leute gesucht hat, die nicht Berufspolitiker sind. Wenn man bösartig wäre, könnte man ihm unterstellen, dass er vielleicht niemanden ranlassen wollte, der diese Kenntnisse und Fähigkeiten hat, die er sich erworben hat, und ihm somit niemand politisch gefährlich werden kann.

Ich kann nur sagen, was Sebastian Kurz geschafft hat, ist ein historisches Verdienst. Er hat es geschafft, die politischen Verhältnisse in Österreich komplett zu drehen. Man möge sich bitte daran erinnern, wie die Umfragen vor zwei Jahren waren. Da war Heinz-Christian Strache nahezu uneinholbar vorne. Das hat Sebastian Kurz umgedreht. Und dabei habe ich ihm, besonders als Vizekanzler, gern geholfen.

Das klingt ja jetzt fast nach Propaganda.

Nein, nein, das sind nur Fakten, an die man sich erinnern sollte.

Mein Punkt war ein anderer. Warum nimmt sich er, der reine Berufspolitiker, ausschließlich Leute, die keine politische Erfahrung haben?

Naja, einige haben schon politische Erfahrung. Aber ich glaube, letztlich ist auch hier der entscheidende Faktor das persönliche Vertrauen. Er braucht jetzt die Leute, denen er hundertprozentig vertrauen kann.

Und er vertraut anderen Berufspolitikern nicht?

Das ist sicherlich auch die Erfahrung, die ihn geprägt hat im Bereich der Parteipolitik. Da kommen wir wieder zurück zu deinem Spruch »Parteifreund – Todfeind«.

Noch einmal zu den Journalisten. Jeder gute Strafverteidiger kennt mehr Journalisten als Politiker.

Der Umgang mit Journalisten war mir nicht neu.

Man kann es machen wie Manfred Ainedter, man muss aber nicht. Man muss als Strafverteidiger nicht in den Seitenblicken sein.

Das war ich auch als Strafverteidiger nie, als Politiker schon.

Hilft das einem Strafverteidiger?

Beim Umgang mit Journalisten hilft es natürlich.

Bekommt Manfred Ainedter mehr Aufträge, weil er viel in den Medien ist?

Das weiß ich nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mediale Aufmerksamkeit für den Mandanten eher schlecht ist. Es mag aber Ausnahmen geben.

Du bist ja fast ein Gegenstück zu Manfred Ainedter, was das öffentliche Auftreten betrifft. Er hat großen Wert darauf gelegt, sehr bekannt zu sein, du hast großen Wert darauf gelegt, im Hintergrund zu arbeiten, bescheiden aufzu