Der Kutscher lenkte missmutig die vier Rappen an den Schlaglöchern vorbei, in denen das Regenwasser der vergangenen Tage die vorbeistürmenden Wolkenfetzen unterhalb des Äthers spiegelte wie schmutzige, frischgeschorene Wolle. Nicht immer gelang das. Dann kam es ihm vor, als würde das gesamte Gefährt abheben und für einen Moment innehalten, als hielte es den Atem an, bis es wieder aufsetzte und seine Räder auf dem Waldweg weiterknirschten. Die Pferde störten sich weder an seiner schlechten Laune noch an seiner Sorge, ob die Achsen diese Tour de Force durchstehen würden. Sie trabten munter voraus und bliesen dampfende Wölkchen in die kalte Luft. Immer voran nur, immer voran.
Ein Achsenbruch in diesem Wald? Das wäre nicht gut.
Der Mann schnalzte, anstatt mit der Peitsche zu schlagen, um das Tempo zu halten. Die eine Strecke bis Münster, die über Senden führte, kannte er gut. Aber man fuhr doch, um Himmels Willen, nicht durch die Davert! Der Kutscher zog den Kopf ein und vermied es, den Blick schweifen zu lassen. Durch dieses gottverlassene Gefilde hatte ihn bisher noch niemand gezwungen. Am liebsten hätte er einem der Pferde die Scheuklappen abgenommen und sich selbst aufgesetzt. Er wollte nichts sehen, was ein menschliches Wesen nicht sehen durfte. Um ihn herum schien ihm alles feindlich. Die Davert. Ein sieben Stunden langer Wald, in den seit Menschengedenken aus der gesamten Umgebung alle bösen und unruhigen Geister verwiesen wurden. Musste das sein? Hier lang?
Es wimmelte nicht nur von Geistern, sondern auch von wilden Tieren und es war für jeden dahergelaufenen Lumpen ein Leichtes, sich im gespenstischen Dickicht zu verstecken, um in einem unachtsamen Moment die Reisenden zu überfallen und zu ermorden. Vorausgesetzt natürlich, besagter Lump war kaltblütig genug, sich in diesem Gespensterwald aufzuhalten. Und wenn er das war, war von eben diesem kaltblütigen Lumpen nicht gerade zu erwarten, dass er jeden Sonntag brav in der Kirche saß und ganz genau hinhörte, wenn es um Gewaltverzicht und Nächstenliebe ging.
Kein Christ gesellte sich freiwillig zwischen Moorleichen, Geister, böse Sagengestalten und uralte Fabelwesen wie die Wasserweiber mit ihren Algenhaaren, die es liebten, Kleinkinder in die schwarzen Kolke des Moores zu ziehen. Selbst die Menschen, die in der Nähe des Venner Moores wohnten und die Tücken des Sumpfes kannten, trauten sich nicht in die Davert.
Aber sein Herr, der Amtsdroste, Bücherwurm und selbst ernannter Anhänger der neuen Bildung, hatte es so angeordnet, und damit waren wie üblich jedwede Einwände abgeschmettert, noch ehe sie geäußert waren.
Der Kutscher verfluchte den Tag, an dem sein Herr das erste Buch in die Hände bekommen hatte und seither für die Warnungen der Alten und Weisen zur Gänze immun schien.