1.
Anna ging auf der Autobahn, die Hände fest an den Riemen ihres Rucksacks, der auf dem Rücken auf und ab hüpfte. Von Zeit zu Zeit wandte sie den Kopf.
Die Hunde waren immer noch da. Sie liefen in einer Reihe. Sechs, sieben an der Zahl. Ein paar von den Schwächeren waren auf dem Weg zurückgeblieben, aber der Große an der Spitze kam allmählich näher.
Zwei Stunden zuvor hatte Anna sie auf einem verbrannten Feld entdeckt, weit hinten zwischen dunklen Steinbrocken und den rußschwarzen Baumstämmen der Olivenbäume, sie tauchten gelegentlich auf und verschwanden dann wieder, das Mädchen hatte nicht groß auf sie geachtet.
Es war nicht das erste Mal, dass ihr ein Rudel wilder Hunde hinterherlief, sie folgten einem für eine Weile, bis sie müde wurden und sich trollten.
Doch diesmal hatte sie erleichtert geseufzt, als sie die Hunde nicht mehr sah. Sie war stehengeblieben, um ihr restliches Wasser zu trinken, und schließlich weitergegangen.
Unterwegs zählte sie gerne. Sie zählte, wie viele Schritte sie für einen Kilometer brauchte, zählte blaue und rote Autos, zählte Überführungen.
Dann waren die Hunde plötzlich wieder da.
Verzweifelte Kreaturen, ziellos dahintreibend auf einem Meer von Asche. Sie war schon vielen begegnet, das Fell durchlöchert, an den Ohren ganze Trauben von Zecken, abgemagert bis auf die Rippen. Schon um die Reste eines Kaninchens trugen sie wilde Kämpfe aus. Die Brände im Sommer hatten die Ebene versengt, und es gab so gut wie nichts mehr zu essen.
Anna kam an einer Reihe von Autos mit kaputten Scheiben vorüber. Zwischen den mit einer Ascheschicht überzogenen Wracks wuchsen Korn und Gestrüpp.
Der Schirokko hatte die Flammen bis ans Meer geweht und hinter sich eine Wüste zurückgelassen. Der Asphaltstreifen der A29, die von Palermo nach Mazara del Vallo führte, zerschnitt eine tote Weite, aus der die geschwärzten Kronen der Palmen aufragten und hier und da eine Rauchfahne. Zur Linken, hinter den Überresten von Castellammare del Golfo, war ein graues Stück Meer eins mit dem Himmel. Rechts schwebten eine Reihe von niedrigen dunklen Hügeln wie ferne Inseln über der Ebene.
Die Fahrbahn war durch einen umgekipptenLKW blockiert. Der Anhänger hatte die Leitplanke geknickt, Waschbecken, Bidets, Toilettenschüsseln und weiße Keramikscherben lagen meterweit verstreut. Das Mädchen ging zwischen ihnen hindurch.
Ihr rechter Knöchel tat weh. In Alcamo hatte sie die Tür eines Lebensmittelgeschäfts mit Fußtritten aufgebrochen.
Eigentlich war bis zum Auftauchen der Hunde alles glattgegangen.
Beim Aufbruch war es noch dunkel gewesen. Sie musste immer weitere Strecken zurücklegen, um an Essen zu gelangen. Am Anfang hatte sie es leichter gehabt, da brauchte sie nur nach Castellammare zu gehen, wo man fand, was man haben wollte. Aber seit den Bränden war alles kompliziert geworden. So war sie nun drei Stunden lang unter der Sonne marschiert, die an einem blassen, wolkenlosen Himmel stand. Der Sommer war längst vorbei, aber die Hitze ließ nicht nach. Nachdem der Wind das Feuer angefacht hatte, war er verschwunden, als interessierte ihn dieser Teil der Schöpfung nicht mehr.
In einer Gärtnerei, neben dem Krater, den die Explosion einer Zapfsäule hinterlassen hatte, war sie unter einer staubbedeckten Plane auf einen Karton voller Lebensmittel gestoßen.
Nun trug sie im Rucksack sechs Cirio-Konservendosen mit Bohnen, vier weitere mit Tomaten der Marke Grazi