1. KAPITEL
Selbst am späten Nachmittag brannte die Sonne noch zu heiß.
Ungeduldig verlagerte Matt Novak sein Gewicht auf der gepolsterten Liege, die ein Hausmädchen auf Anweisung von Adrienne Novak in den Schatten der Terrasse gestellt hatte. Die kakifarbenen Shorts, die er zu seinem schwarzen T-Shirt trug, waren verschwitzt. Trotzdem wollte er nachher noch in den Fitnessraum gehen. Er hatte das Nichtstun gründlich satt.
Vor ihm glitzerten die Sonnenstrahlen auf dem Kanal, dessen Wellen gegen die Ufermauern plätscherten. In der Bucht dahinter schien das Licht so grell, dass sogar Matts dunkle Sonnenbrille es nicht vollständig ausblenden konnte.
Die knotigen Äste des mächtigen Bengalischen Feigenbaums neben der Terrasse blieben unter den Blütenranken fast unsichtbar. Sanft schaukelte das Segelboot von Matts Vater, das am Steg festgebunden war, auf dem Wasser. Matt roch die Pflanzen, die entlang des Kanals wuchsen, und den unverwechselbaren Duft des Meeres.
Zweifellos war das alles sehr schön und friedlich, doch er hatte genug davon, dass man ihn wie einen Invaliden behandelte. Anfangs war es ja ganz angenehm gewesen, von vorne bis hinten bedient zu werden, aber allmählich ging ihm seine Mutter auf die Nerven. Adrienne Novak machte keinen Hehl aus ihrer Missbilligung, wenn er im Fitnessraum beim Bankdrücken sein eigenes Körpergewicht stemmte. Sie wollte einfach nicht akzeptieren, dass er sich gut fühlte. Selbst an den Computer ließ sie ihn nur widerstrebend.
Laptop und Handy waren ihm im Krankenhaus in Caracas gestohlen worden. Während seiner Reise nach Venezuela hatte er sich ein tropisches Fieber eingefangen und seine ganze Kraft aufbieten müssen, es zu überstehen. Adrienne wollte nicht einsehen, dass er jetzt über den Berg war, und setzte alle Hebel in Bewegung, damit er hier in Coral Gables blieb.
Für sie gab es nur einen einzigen Wermutstropfen: Ihr Mann hatte seinen Ruhestand aufgegeben, um wieder das New Yorker Büro von Novak Oil Exploration and Shipping zu leiten. Bis vor drei Monaten hatte Matt das getan.
Der blickte mürrisch drein, allerdings nicht, weil sein Vater für ihn einsprang. Er hatte ja ohnehin beschlossen, nicht den Rest seines Lebens in der Vorstandsetage zu verbringen. Jetzt musste er nur noch seine Eltern davon überzeugen, dass er es ernst meinte.
Zu schaffen machte ihm jedoch etwas anderes: Obwohl er Adrienne etliche Male gebeten hatte, seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau E-Mails nach London zu schicken, kam einfach keine Antwort von Joanna.
Bestimmt war sie nach wie vor wütend auf ihn. Aber kümmerte es sie denn gar nicht, ob er tot oder lebendig war? Offensichtlich nicht. Und da sie sich nach der Trennung eine neue Handynummer zugelegt hatte, schied ein Telefonat aus.
Theoretisch konnte er in der Galerie anrufen, für die sie arbeitete, doch womöglich ging dann David Bellamy an den Apparat. Matt war zu stolz, um zuzugeben, dass er die aktuelle Telefonnummer seiner Frau nicht kannte. Ende der Woche flog er nach London. Je eher er persönlich mit Joanna redete, desto besser.
Motorgeräusche brachen die Stille, und Matt blickte auf. Erwartete Adrienne Besuch? Da fiel es ihm ein: Sophie, seine Schwester, hatte eine Freundin nach Miami zum Flughafen gefahren. Allerdings hörte er mehr als ein Paar Absätze auf dem gepflasterten Weg, der von der Vorderseite des Hauses zur Terrasse führte. Wen zum Teufel hatte Sophie mitgebracht?
Hoffentlich nicht noch eine Frau, die er bewundern sollte. Inzwischen hatte seine Mutter oft genug versucht, sein Interesse an Töchtern aus guten Familien zu wecken. Joanna und er mochten Probleme haben, waren aber immer noch verheiratet. Und er glaubte fest daran, dass sie ihre Differenzen ausräumen konnten.
Die Besucherin war keine Freundin von Sophie. Oder nur indirekt.
Ihm selbst war die junge Frau, die seiner Schwester