1. KAPITEL
„Dieser Abend schreit nach einem guten Glas Wein!“
April Knight blickte sich in ihrem Wohnzimmer um. Der Boden war überhäuft von Zetteln, Notizen und kreischend bunten Textmarkern. Und sie war noch lange nicht fertig. Es gab so viel zu tun, dass sie sich am liebsten in ihr Bett verkrochen und die Decke über den Kopf gezogen hätte. Aber das war natürlich keine Lösung.
Sie seufzte. „Vielleicht werden es auch zwei Gläser Wein.“
Simeon Wilkes, der gemeinsam mit ihr fürA Fresh Start arbeitete, verzog skeptisch die Mundwinkel. Auch er investierte viel Zeit in das Sommerprogramm, das sie hier in ihrer Heimatstadt New Orleans für Teenager anboten. „Ich bin nicht sicher, ob Alkohol eine wirklich gute Idee ist“, sagte er. „Aber was soll’s. Ich nehme ein Bier.“
„Ich nehme heute auch gerne ein Glas Wein. Und das, wo ich normalerweise überhaupt nicht trinke“, ergänzte LaDonna Miller, die Chefin von A Fresh Start, und seufzte leise.
April erhob sich lachend. „Alles klar. Ich bin gleich wieder da. Die Pizza müsste auch jederzeit kommen.“
Genau in diesem Moment klingelte es an der Tür.
Simeon sprang auf. „Ich kümmere mich um die Pizza, du um die Getränke“, sagte er zu April.
Leichtfüßig wie eine Katze ging er zur Tür. April blickte ihm nach und fühlte sich einmal mehr daran erinnert, dass sie deutlich älter war als Simeon. Mit fünfunddreißig Jahren spürte sie gelegentlich ihre Knie beim Aufstehen …
Über sich selbst fast unmerklich den Kopf schüttelnd ging sie in ihre Küche. Vor zwei Jahren, als sie beschlossen hatte, als Solocellistin ein wenig kürzer zu treten und nach New Orleans zurückgekehrt war, hatte sie dieses Haus gekauft. Es war perfekt für sie, und sie fühlte sich wohl hier. Außer an Abenden wie diesen, die viel zu viel Arbeit mit sich brachten.
April zog eine Flasche Rotwein aus dem Weinregal und unterdrückte ein Seufzen. Sie würden heute noch Lösungen finden müssen. Ihnen lief die Zeit davon …
Gerade, als sie mit dem Wein, zwei Gläsern und einer Flasche Bier für Simeon ins Wohnzimmer zurückkehren wollte, summte ihr Handy.
April erwartete eigentlich eine Nachricht von ihrem ehemaligen Künstleragenten Carlos Munoz, der gerade noch eine ausstehende Zahlung von einer Produktionsfirma eintreiben wollte, für die April zuletzt gearbeitet hatte. Doch stattdessen sah April einen anderen Namen auf dem Display.
Damien Alexander.
Ihr Herz machte einen Sprung und begann dann wie rasend zu schlagen. Dummes Herz … Mit zittrigen Fingern öffnete April die Textnachricht.
Hi. Ich würde gerne mir dir reden. Können wir uns morgen treffen?
April versuchte, möglichst unverfänglich zu antworten.
Hallo, Fremder. Klar. Komm zu A Fresh Start. Das Gebäude gegenüber der Katharinenkirche.
Nur wenige Sekunden später kam bereits die Antwort.
Ich bin um 11 Uhr da. Bis morgen.
April starrte für einen Moment auf ihr Telefon, unsicher, ob sie nochmals schreiben sollte. Wirkte das vielleicht zu engagiert? Oder würde Damien sie für unhöflich halten, wenn sie jetzt nicht mehr antwortete?
„Was solls!“ April steckte das Handy in die Tasche zurück und ging mit den Getränken zurück ins Wohnzimmer.
Zu ihrer Überraschung war auch Nicole Russell jetzt da, eine der Tanzlehrerinnen bei A Fresh Start. „Was machst du denn hier? Ich dachte, du hast einen Auftritt in Mandeville?“
„Das wurde abgesagt“, antwortete Nicole.
„Oh, das tut mir leid!“, sagte April. „Ich weiß, dass du dich darauf gefreut hast. Soll ich dir auch ein Glas für den Wein holen?“
Nicole schüttelte den Kopf. „Danke, nein. Ich brauche nichts.“
Alle bedienten sich an Pizza und Getränken, dann brachte LaDonna den Grund ihres Treffens zur Sprache. „Wir müssen uns schnellstens etwas überlegen, sonst ist A Fresh Start erledigt“, sagte sie.
„Sieht es wirklich so schlimm aus?“, fragte Nicole.
„Allerdings. Wir haben mehr als ein Dutzend Kinder weniger als noch im letzten Sommer und müssen wirklich etwas tun, um das Angebot wieder attraktiver zu machen. Die Kids hängen auf der Straße herum. Das ist keine gute Entwicklung.“
April runzelte die Stirn. „Wir können natürlich niemanden zwingen, bei unserem Sommerprogramm mitzumachen“, wandte sie ein. „Aber es ist wichtig, dass wi