Nesthäkchen Sidi
Im September 1979 wurde ich als jüngstes von insgesamt drei Kindern in Dortmund geboren. Meine Schwester Karin, die mittlerweile meine rechte Hand in der Firma ist, war bereits acht und Angelika fünf. Mit zwei älteren Schwestern konnte ich nicht etwa mit Modellautos spielen oder mit Baggern im Sandkasten schaufeln, nein – ich musste helfen, Barbie anzuziehen und ihr die Haare zu kämmen. Wenn ihr jetzt denkt »Der arme Kerl …«, kann ich nur sagen: Barbie spielen ging noch.
Wirklich erniedrigend war, dass meine Schwestern mich als Schminkkopf missbraucht haben. So lief der kleine Sidney schon mal mit Wimperntusche, Mascara und Rouge auf Dortmunds Straßen herum. Zum Glück war mein Vater da ganz auf meiner Seite und half mir, meine Karriere als Schmink-Versuchsobjekt zu beenden. Karin und Angelika fanden das nicht toll, hatten aber schon eine neue Idee: Sie überredeten mich, stattdessen sie zu schminken. Dieses Kindheitstrauma verfolgt mich bis heute. Ich muss zwar niemanden mehr anmalen – aber Frauen nehmen mich irgendwie besonders gerne mit zum Shoppen. Ich könnte fast der Guido Maria Kretschmer Dortmunds sein.
Mein Vater hat mich nicht nur vor dieser unfreiwilligen Modelkarriere bewahrt, sondern auch schon sehr früh die Begeisterung für Autos in mir geweckt. Er nahm mich so manches Mal in seinem Opel Senator mit auf einen Parkplatz, wo er mich auf seinen Schoß nahm und ich lenken durfte, was mir unfassbaren Spaß bereitet hat. Generell hatte ich ein sehr gutes und enges Verhältnis zu meinem Vater. Ich glaube, er war sehr froh, dass sein drittes Kind ein Junge war. Drei Frauen unter einem Dach sind – ich spreche aus eigener Erfahrung – manchmal schon echt anstrengend! Wenn man sich jetzt vier Frauen unter einem Dach vorstellt …
Meine Eltern betrieben eine kleine Wirtschaft in Dortmund. Mein Vater war Chef der Küche, meine Mutter bediente. So haben sie sich auch kennengelernt – bloß am anderen Ende der Welt: Mein Vater war Weltenbummler und kochte Ende der Sechziger in Südafrika im Dienste der Armee. Meine Mutter war Küchenhilfe. Die beiden verliebten sich ineinander, mussten ihre Liebe zueinander jedoch verstecken. Denn meine Mutter ist »coloured«. So nennt man die Nachkommen der ersten holländischen Siedler und der Ureinwohner am Kap, den Khoikhoi. In Zeiten der Apartheid, der Rassentrennung, die noch bis 1994 in Südafrika praktiziert wurde, waren gemischtrassige Beziehungen ein schwerwiegendes Vergehen, auf das viele Jahre Gefängnis stand. Eine Beziehung zwischen einem weißen Deutschen und einer »coloured«? Unvorstellbar.
Lange geheim halten konnten meine Eltern ihre Beziehung allerdings nicht. Meine Mutter wurde eines Tages gewarnt, dass ihr Arbeitgeber wohl bereits auf einen Verdacht hin mit den Behörden gesprochen hatte – was meine Eltern in eine hochgefährliche Situation brachte.
So fassten sie den Entschluss, möglichst schnell das Land zu verlassen und nach Deutschland zu gehen. Eines Abends holte mein Vater meine Mutter per Miet