»Out past the cornfields where the woods got heavy.
Out in the back seat of my ’60 Chevy.
Workin’ on mysteries without any clues.
Workin’ on our night moves.«
Bob Seeger, »Night Moves«
Die wohl schwerste Situation meiner beruflichen Karriere hatte ich im Jahr 2004 zu meistern. Viele meiner Kollegen sprachen damals von einem Himmelfahrtskommando, meine Vorgesetzten von einer super Chance, mir meine Sporen zu verdienen. Die Aufgabe war so einfach wie herausfordernd. Ich sollte als Projektleiter das ehemals erfolgreichste Kaufhaus Berlins, das altehrwürdige Hertie in der Neuköllner Karl-Marx-Straße, zu einem Schnäppchen-Center umwandeln, in dem das Unternehmen die Altware aus dem gesamten Bundesgebiet vermarkten wollte. In modernem Deutsch würde man wohl heute »Outlet Center« dazu sagen. Es war der allerletzte Versuch, den Standort zu retten. Anfang der 1990er-Jahre arbeiteten in dem über 40 000 Quadratmeter großen Kaufhaus noch 1200 Mitarbeiter, die Umsätze gingen direkt nach der Maueröffnung durch die Decke. Doch im Laufe der Jahre erlebte nicht nur Neukölln einen wirtschaftlichen Niedergang, sondern auch das Hertie-Kaufhaus.
So kam es, dass an meinem ersten Tag gerade noch 120 Mitarbeiter verzweifelt versuchten, die Umsatzeinbrüche aufzuhalten, die seit Langem bei über 20 Prozent pro Jahr lagen. Es war allerdings ein hoffnungsloser Kampf, denn der Niedergang war bereits zu weit fortgeschritten. Ganze Abteilungen waren seit Längerem geschlossen und es verirrten sich immer weniger Kunden in das Warenhaus, welches von der Atmosphäre manchmal an eine Geisterstadt erinnerte. Und nun stehe ich in einem muffigen Besprechungsraum und vor mir sitzen die verbliebenen sechs Abteilungsleiter, die mich mit ängstlichen Augen anblicken. Der amtierende Geschäftsführer steht nur wenige Wochen vor seiner Pensionierung und macht bei meiner Vorstellung keinen Hehl aus seiner Meinung: »Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen Herrn Grzeskowitz vorstellen. Er ist hier, um unserem Kaufhaus den Todesstoß zu versetzen und es zu einem Schnäppchen-Center zu machen. Ich halte diese Entscheidung für völlig falsch, aber die jungen Leute denken ja immer, sie wissen alles besser.«
Rumms. Können Sie sich vorstellen, wie ich mich gefühlt habe? Obwohl ich nur der Überbringer des neuen Konzepts war, bekam ich die gesamte Wut und aufgestaute Hoffnungslosigkeit der versammelten Menschen zu spüren. So gut es ging lenkte ich den Fokus auf die sich bietenden Chancen, stellte meine Ideen zur Rettung des Standorts vor und versuchte, die Herzen meiner zukünftigen Mitarbeiter zu erreichen. Es folgte eine hitzige Diskussion, die von vielen Fragen und Zwischenrufen geprägt war.
Doch es war ein einzelner Satz, der sich mir bis heute ins Gedächtnis eingebrannt hat. Herr Leopold (der Name ist geändert), der Abteilungsleiter aus der zweiten Etage (Zuständigkeiten für einzelne Abteilungen wie in anderen Häusern gab es schon lange nicht mehr), stand auf, blickte mir direkt in die Augen und sagte dann: »Aber verstehen Sie es denn nicht, Herr Grzeskowitz? Wir können diese neuen Ideen hier nicht gebrauchen, weil dann unser Kaufhaus stirbt. Aber wir wollen nicht sterben. Wir wollen leben!«
Es war ein Satz, der mich traf wie ein Blitz. Und er zeigt das große Dilemma, welches Veränderungen mit sich bringen. Herr Leopold traf diese Aussage nämlich zum einem Zeitpunkt, als der Patient Hertie Neukölln seit Jahren auf der Intensivstation lag und de facto bereits klinisch tot war. Und dennoch sträubten sich die beteiligten Menschen gegen sämtliche Alternativen wie der Teufel gegen das Weihwasser. Man wollte, dass alles so blieb, wie es war, nur die Resultate sollten besser werden. Und diese Haltung war tragisch, denn auch wenn niemand damals sagen konnte, ob der Kurswechsel den Standort noch retten konnte, so sprachen die aktuellen Umsätze, Deckungsbeiträge und Prognosen doch eine sehr eindeutige Sprache: Mit den Strat