Der Kampf um den Everest lief auf Hochtouren. Es war Ende Oktober 1952, und fünf Lager waren bereits errichtet: Lager 1 (Standlager) am Fuße des Khumbu-Eisfalls. Lager 2 auf halber Höhe, Lager 3 auf etwa 6100 Meter am Eingang zum Westbecken, Lager 4 (vorgeschobenes Standlager) auf 6550 Meter fast am Fuße der Everest-Südwestwand und Lager 5 auf etwa 6800 Meter unterhalb der Eiswand, die den direkten Aufstieg zum Südsattel ermöglicht. Unsere Erfolgsaussichten wurden durch außergewöhnliche Kälte, heftige Stürme und immer kürzer werdende Tage beeinträchtigt. Darunter litt nicht nur die körperliche und seelische Verfassung der Mannschaft, auch unsere Umgebung war von diesen Umständen gezeichnet: In großen Höhen waren sämtliche Steilhänge beinahe schneefrei, überall schillerte blankgefegtes Eis blaugrün und abweisend. Das bedeutete eine Unmenge von Stufen, Eishaken und Fixseilen, um den Lastentransport zum Südsattel sicherzustellen. Lager 6 sollte dort auf fast 8000 Meter errichtet werden, und dann noch ein letztes Sturmlager, so hoch wie möglich.
Am 29. Oktober waren Jean Buzio und fünf Sherpas von früh bis spät damit beschäftigt, in harter Arbeit Haken zu schlagen und Seile zu spannen. Mit Feldstecher und Fernrohr verfolgten wir vom Lager 4 aus ihren Fortschritt. Sechs winzige Punkte, wie Ameisen in dieser lebensfeindlichen, fast erdrückenden Bergwelt. Am nächsten Nachmittag kehrten Jean und ein Sherpa zurück, die anderen blieben im Lager 5, wo der ständige Wind die Nächte noch unerfreulicher gestaltete als hier im vorgeschobenen Standlager. Jean sah alt und erschöpft aus. Die psychische und physische Belastung der letzten Tage und Wochen machte sich bemerkbar. Er war selig, die Sicherheit und den Komfort unseres Lagers erreicht zu haben, während wir, die wir ihn mit heißem Tee, Rum und Keksen begrüßten, ihm unsere Anerkennung für die geleistete Tagesarbeit aussprachen.
Tatsächlich war dies das erste Mal seit der Anreise, dass die ganze Mannschaft – mit Ausnahme von Gustave Gross im Lager 5 – beisammen war. Einige waren bisher in den unteren Lagern geblieben, andere waren am Vorstoß zum Südsattel beteiligt, und ich hatte in Neu-Delhi drei Wochen auf die nepalische Bewilligung warten müssen, bis ich endlich der Expedition auf kürzestem Wege von Süden her nacheilen konnte. Der heuti