»Pst! Nicht so laut, Isabell! Wenn jemand wach wird und uns hört, sind wir verloren. Zwei Tage Arrest ist das mindeste, was uns blühen kann.«
»Hätte ich diesen Blödsinn nur nicht mitgemacht«, kommt die erboste Stimme von Isabell von Bonin zurück. »Das ist wieder so eine verrückte Idee von dir, Ulla.«
»Ach was! Prima ist das. Du wirst sehen, wir werden uns auf dem Trachtenfest blendend amüsieren.«
»Sind wir noch nicht unten?« flüsterte Isabell.
»Noch zwei Stufen«, raunt Ulla Eschenbach zurück.
Die beiden jungen Damen sind damit beschäftigt, eine Leiter an der Hauswand hinunterzusteigen. Es ist zehn Uhr abends. Sie können nur ahnen, wo die nächste Stufe ist, denn die Mondsichel kommt nur alle paar Minuten hinter einer Wolke hervor und beleuchtet schwach das nächtliche Abenteuer.
Ulla ist schon auf der feuchten Gartenerde angelangt und breitet beide Arme aus, um ihre Freundin Isabell zu helfen.
»Nun noch die Leiter weg«, sagt Ulla, »wir legen sie lautlos auf die Erde, damit wir nachher wieder auf demselben Weg ins Haus können.«
Beide fassen sie an und lassen die leichte Leiter zur Erde gleiten.
Sie werfen noch einmal einen prüfenden Blick auf die Hausfassade. Aber es bleibt alles dunkel und still.
»Das hätten wir geschafft«, sagt Ulla und reibt sich vergnügt die Hände. »In der Gartenlaube liegen unsere Dirndlkleider.«
Sie ducken sich und schleichen durchs Gebüsch zur Gartenlaube. Aus einem Karton zieht Ulla zwei Dirndlkleider.
Hastig ziehen sich die beiden Mädchen an. Die Frisuren werden geändert. Sie erkennen sich fast selber nicht mehr wieder, als sie sich im Mondschein in einem kleinen Taschenspiegel betrachten.
»Beinahe sehen wir aus wie die Bauerntrampel«, erklärt Ulla und kann sich kaum halten vor Lachen.
Isabell findet das nicht lächerlich. Sie ist überhaupt in keiner vergnügten Laune. Sie hat das Ganze nur notgedrungen mitgemacht, weil Ulla sie schon seit Wochen beschwatzt hat.
Ulla nimmt ihre Hand und führt sie durch die verschlungenen Wege des Gartens zu einer kleinen versteckten Tür, die sie vor Wochen entdeckt hat.
Als sie im Freien sind, atmen beide hörbar auf.
»Wenn nur keiner merkt, daß wir nicht da sind«, sagt Isabell mit klopfendem Herzen, »du weißt, wie streng Frau Hohenstein ist. Wir fliegen sofort aus dem Pensionat.«
»Die schläft wie ein Dachs. Glaube mir. Es ist noch nie vorgekommen, daß sie nachts durch das Haus gegangen ist. Wir sind in zwei bis drei Stunden zurück. Denk bitte nicht daran. Wir wollen uns heute amüsieren. Ich bin es sowieso leid, ständig beaufsichtigt zu werden. Mir hat es von Anfang an nicht gepaßt, in ein Pensionat gesteckt zu werden. Daran ist aber nur meine Stiefmutter schuld. Die wollte mich für ein bis zwei Jahre los sein.«
»W