: Robert Fabbri
: Vespasian. Das Tor zur Macht Historischer Roman
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644404786
: Die Vespasian-Reihe
: 1
: CHF 10.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 528
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Rom, im Jahr 30 n. Chr. Nur ein Mann kann Seianus zu Fall bringen, den Kommandeur der Prätorianergarde, der alle Macht in Rom an sich gerissen hat: der thrakische Priester Rhotekes. Nur ein Mann kann ihn heimlich nach Rom bringen: Vespasian, dem der Verräter einst bei der Niederschlagung des thrakischen Aufstands entkam. Vespasian überwindet Festungsmauern. Hinterhalte in verschneiten Bergen. Piraten auf hoher See. Seianus' Spione. Doch die schlimmste Gefahr lauert im Herzen des römischen Reiches selbst, im verkommenen Hof von Tiberius, dem paranoiden und lasterhaften Kaiser von Rom.

 Robert Fabbri, geboren 1961, lebt in London und Berlin. Er arbeitete nach seinem Studium an der University of London 25 Jahre lang als Regieassistent und war an so unterschiedlichen Filmen beteiligt wie «Die Stunde der Patrioten», «Hellraiser», «Hornblower» und «Billy Elliot - I Will Dance». Aus Leidenschaft für antike Geschichte bemalte er 3 500 mazedonische, thrakische, galatische, römische und viele andere Zinnsoldaten - und begann schließlich zu schreiben. Mit seiner epischen historischen Romanserie «Vespasian» über das Leben des römischen Kaisers wurde Robert Fabbri in Großbritannien Bestsellerautor.

I


Vorsichtig verlagerte Vespasian sein Gewicht auf den linken Fuß. Er versuchte, möglichst leise über den Waldboden zu gehen, der von welkem Laub, Zweigen und Schneeflecken übersät war. Mehrere Dutzend Schritte hatte er schon nahezu geräuschlos zurückgelegt. Die ausgeatmete Luft verdampfte vor seinem Gesicht, und nach der langen Hetzjagd pochte sein Herz rasend schnell. Er war allein. Seine beiden Jagdgehilfen, zwei Sklaven, die er sich aus den königlichen Ställen ausgeliehen hatte, hatte er zurückgelassen. Sie sollten mit den Pferden langsam folgen, während er dem waidwunden Hirsch zu Fuß nachsetzte. Er hatte ihn mit einem Pfeil am Hals getroffen und eine Wunde geschlagen, die heftig blutete. An den frischen Spuren erkannte er, dass er dem geschwächten Tier sehr nahe war. Er legte einen Pfeil auf, spannte den Bogen und spürte die Befiederung des Pfeils an der Wange. Kaum wagte er zu atmen, pirschte weiter und spähte durch die Lücken der Bäume auf der Suche nach der lohgrauen Beute inmitten der erdbraunen und rostroten Farben des Winterwalds.

Eine kleine Bewegung am rechten Blickfeldrand ließ ihn erstarren. Er hielt die Luft an und wandte sich der Stelle zu, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Knapp zwanzig Schritt entfernt, halb verdeckt vom Dickicht, stand der Hirsch, bewegungslos und mit blutverschmiertem Widerrist, den Blick klagend auf seinen Jäger gerichtet. Als Vespasian sein Ziel ins Auge fasste, sackte das Tier in sich zusammen. Vespasian fluchte, verärgert darüber, um den genugtuenden Todesstoß betrogen worden zu sein. Es kam ihm wie ein Gleichnis für die vergangenen dreieinhalb Jahre vor, die er in Ausübung seiner Garnisonspflichten in Thrakien seit der Niederschlagung des Aufstands hatte zubringen müssen. Bislang war jede Aussicht auf ein Gefecht im Sande verlaufen; stets war er frustriert ins Lager zurückgekehrt, das Schwert ohne Blut, aber die Füße wund von der Jagd auf ein paar Banditen. Die bittere Wahrheit war, dass im römischen Klientelkönigreich Thrakien Frieden herrschte und er sich langweilte.

Anfangs, im ersten Jahr, hatte er noch durchaus interessante Tage erlebt. Nachdem die Rebellen vernichtend geschlagen waren, hatte sich Pomponius Labeo mit der Legio V Macedonica, einem Großteil derIIII Scythica und denAlae der Kavallerie samt Hilfskohorten auf den Rückmarsch zu ihrem Stützpunkt an den Danuvius in Moesien gemacht. Publius Iunius Caesennius Paetus, der Präfekt der illyrischen Kavalleriekohorte, war als Kommandant der Garnison zurückgeblieben. Vespasian hatte nominell den Oberbefehl über die zwei restlichen Kohorten der Legio IIII Scythica, die zweite und fünfte, war aber de facto dem Centurio Lucius Caelus, dem amtierenden Präfekten des Lagers, unterstellt. Der tolerierte ihn zwar, ließ aber keinen Zweifel daran, was er von jungen Aufsteigern hielt, die ihre Führungsposition einzig und allein ihrer gesellschaftlichen Stellung verdankten.

Immerhin hatte Vespasian einiges von Caelus und den anderen Centurien gelernt, die ihre Männer mit Manövern auf dem Feld, mit dem Bau von Straßen und Brücken und mit der Wartung ihrer Ausrüstung und des Lagers beschäftigten. Aber das waren Pflichten in Friedenszeiten, und nach einer Weile war er ihrer überdrüssig. Er sehnte sich nach dem Kitzel des Kriegs, den er bislang allzu selten erfahren hatte, nur in den ersten zwei Mona