: Marie Brunntaler
: Das einfache Leben Roman | Ein Roman für Naturliebhaber, in dem zwei Schwestern einen Neubeginn wagen
: Eisele eBooks
: 9783961615070
: 1
: CHF 8.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 250
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Zwei Schwestern aus dem Schwarzwald kehren in der zweiten Lebenshälfte in ihre Heimat zurück und pflanzen dort auf einem industriell kontaminierten Gelände einen Rosengarten. Die Schwestern Adele und Elisabeth Kohlbrenner verlassen ihre Heimat jung, um an der Aufbruchsstimmung des Wirtschaftswunders teilzuhaben. In der Mitte ihres Lebens bereuen sie jedoch, ihre Wurzeln abgeschnitten und das Glück an Orten gesucht zu haben, wo es für sie nicht zu finden war. Sie kehren nach Dachsberg im Südschwarzwald zurück und beschließen, einen alten Traum Wirklichkeit werden zu lassen, ihren Traum vom Rosengarten. Gemeinsam bewirtschaften sie ein Brachland in den Hügeln, ausgerechnet dort, wo zuletzt die Verpackungsfirma ihres Bruders stand, der nach einem Umweltskandal schließen musste. Adele und Elisabeth wollen dieses Land der Natur zurückgeben und den schönsten Rosengarten des Schwarzwalds anlegen. Jeder, der etwas davon versteht, rät ihnen ab: Die Höhenlage sei nichts für Rosen, der Boden zu steinig. Doch die beiden lassen sich nicht beirren.

MARIE BRUNNTALER wurde im Südschwarzwald geboren, studierte Biologie und arbeitete als Landschaftsplanerin in Heidelberg und Bonn, bevor sie ihrem Mann in die Schweiz folgte. Marie Brunntaler arbeitet als Landschaftstopografin im Berner Oberland. Eine Liebe von Bern ist ihr vierter Roman.

2
DER ALTE FEIND

Am nächsten Tag wurde es so sonnig, dass Elisabeth die Arbeit in ihrem leichten Sommerkleid verrichtete. Es war ein Stadtkleid, das sie in Bonn getragen hatte, wenn sie mit Dietrich am Rhein spazieren ging. Für ihn trug sie es auch heute, weil sie im Geist bei ihm sein wollte. Aber Elisabeth merkte rasch, dass dieses Kleid nicht in die Landschaft passte. Es war zu verspielt, zu luftig, es hatte dem Wetter hier, das in Minuten umschlagen und grimmig werden konnte, nichts entgegenzusetzen. Elisabeth wollte das Kleid ausziehen und im Schrank nach alten Sachen suchen.

Gerade als sie hineinging, tauchte Alexander Beh­ringer auf der Hügelkuppe auf. Er stieg über den Draht, der die Behringerwiese von der Kohlbrenner­wiese trennte. Der Draht führte Strom, Elisabeth hatte seine Kühe drüben auf der Weide schon gesehen, schöne braunweiße Kühe, die so lange draußen bleiben würden, bis mit dem ersten Frost die Zeit der Sommerweide vorbei war. Sie hätte nun rasch hineinlaufen und sich umziehen können, doch das wäre ihr wie eine Flucht erschienen. Vor den Behringers lief Elisabeth nicht davon. So wie sie war, blieb sie im Hauseingang stehen.

Alexander Behringer war zwei Jahre älter als sie. Ein schwarzhaariger Kerl, das Grau an den Schläfen stand ihm, er war braungebrannt und trug zur Arbeitshose nur sein Unterhemd. Die raue Gegend, die schwere Arbeit, hier oben sahen die Menschen oft ­älter aus. Alexander widerlegte das. Er hatte bald Geburtstag, fiel ihr ein, Skorpion, während Elisabeth im Krebs geboren war. Dann würde hier also bald der fünfzigste Geburtstag des Königs vom Dachsberg gefeiert werden, dachte sie, während er den Hügel herunterkam. Bestimmt würde er alles aufbieten, um seine Königswürde weithin sichtbar zu machen.

Jahrzehnte hatten sie einander nicht gesehen, und ausgerechnet heute musste sie ihm in diesem Kleid begegnen. Elisabeth war schwerer geworden, das Kleid saß nicht mehr so leicht wie früher. Für Dietrich hatte sie es angezogen, weil ihre Beine darin zur Geltung kamen.Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt, hatte er gesungen. Für Dietrich hatte sie schön sein wollen, vor Alexander schämte sie sich.

»Grüß dich, Kohlbrennerin.« Er trat unter den alten Apfelbaum, der sich vor dem Westwind in all den Jahrzehnten immer tiefer gebeugt hatte.

»Grüß dich, Alex.« Um ihre Aufmachung zu verbergen, setzte sie sich an den ausgebleichten Gartentisch.

Er stemmte den Arm in die Hüfte. »Die feine Dame aus der Stadt gibt uns die Ehre.«

»Das war ich nie.«

»Da habe ich etwas anderes gehört.«

»Was man auf dem Dachsberg schon so hört.« Sie wollte lächeln, die Sonne blendete sie, es wurde ein Blinzeln daraus.

»Du kennst immerhin unseren früheren Bundeskanzler.«

»Ich war eine kleine Sekretärin.« Elisabeth hatte schwarze Johannisbeeren geerntet und zog den Topf heran. »Ich habe den Kanzler nur ein paar Mal gesehen.«

»Immerhin. Bei uns hier oben kriegt man bestenfalls den Bürgermeister zu sehen.« Er hatte gute Falten gekriegt, wie das bei den Männern eben war.

»Wer ist denn zurzeit Bürgermeister vom Dachsberg?«

»Er steht vor dir.« Alexander lächelte sein verschmitztes Lächeln, das er schon als Junge