: Katherine Mansfield
: Fliegen, tanzen, wirbeln, beben Vignetten eines Frauenlebens - Mit einem Essay von Virginia Woolf
: Manesse
: 9783641237431
: Manesse Bibliothek
: 1
: CHF 11.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Man entgeht der Herrlichkeit des Lebens nicht.' Katherine Mansfield
Gute Tage, schlechte Tage, Augenblicke himmlischer Glückseligkeit oder solche tiefer Bestürzung - aus allem macht die Sprachkünstlerin Katherine Mansfield reinste Poesie. Ihr Tagebuch gewährt Einblick in ein bei aller Kürze überreiches Leben: überreich an Hochgefühlen und Selbstzweifeln, überreich an musischen Begabungen, Liebeswagnissen, Dramen und Schicksalsschlägen. Die Auswahl reicht von ersten Talentproben der zwölfjährigen Neuseeländerin Kathleen Beauchamp bis hin zur brillanten Tagebuchprosa einer gereiften Schriftstellerin. Hier in Neuübersetzung vorgelegt, faszinieren die Texte durch gedankliche Tiefe, Intimität, Empfindungsreichtum und den Zauber der poetischen Weltbetrachtung.

Mit einem Nachwort von Dörte Hansen!

Katherine Mansfield (1888-1923), aufgewachsen in der Kolonialwelt Neuseelands zwischen Maori-Bräuchen und Cellospiel, beginnt schon im Mädchenalter zu schreiben, entflieht, kaum volljährig, ihrer Familie nach London, wird schwanger, erleidet in Bad Wörishofen eine Fehlgeburt, wird zum Star der jungen Literaturszene und stirbt mit nur 34 Jahren in Fontainebleau. Ihr schmales Werk zählt zur modernen Weltliteratur.

~ 1907 ~

Januar. Da ist zwar Mr. Trowell. Aber ich habe endgültig beschlossen, nicht Musikerin zu werden. Das ist nicht mein Forte, das erkenne ich deutlich. Es bleibt dabei – ich muss Schriftstellerin werden. Caesar1 verliert seine Macht über mich. Edie wartet auf mich. Ich werde in ihre Arme schlüpfen. Sie sind am sichersten. Liebst du mich?

«Ehrgeiz ist ein Fluch, wenn man nicht gegen alles andere gefeit ist – es sei denn, man wolle sich seinem Ehrgeiz opfern.» –Eine Frau.2

«Alle Musiker, auch die unbedeutendsten, kommen ohne die Manneskraft, das Leben ernst zu nehmen zur Welt. Sie begehren nicht einen einzigen Mann, eine einzige Frau, sondern die volle Oktave der Sext.»E. F.

«Man fühlt sich hilflos unter dem Joch der Schöpfung.»E. F.

«Die Natur blamiert uns derart! Was sollen wir irgendwen mögen, wenn jede Waschfrau dasselbe tun kann? Aber mit dieser List sichert die Natur die Fortpflanzung.»E. F.

«Den Mut haben, über sich hinauszugehen – um seine Grenzen zu finden.»E. F.

«Die meisten Frauen werden zu Salzsäulen, wenn sie sich umdrehen.»3E. F.

«Große Menschen sind stets ihren eigenen Neigungen gefolgt. Weshalb sollten wir uns an die Namen von Leuten erinnern, die tun, was alle anderen auch tun? Wer das Gesetz erfolgreich bricht, wird berühmt.»E. F.

«Eine Frau kann Musik erst dann verstehen, wenn sie jene mühsam verborgenen Dinge am eigenen Leibe erfährt, die offensichtlich allem zugrunde liegen.»E. F.

1. Juni 1907. Day’s Bay

Und wieder Szenenwechsel. Ich sitze im ärmlichen kleinen Wohnzimmer – dem einzigen Zimmer des Cottage, bis auf den hüttenähnlichen Schlafraum mit den Kajütenbetten und dem Nebengebäude mit Bad, Holz- und Kohlenkeller, fertig. Auf der einen Seite reicht das Meer bis zum Hof herauf und auf der anderen wächst der Busch bis fast zur Haustür hinab.

Sonntagnacht

Hier bin ich, fast tot vor Kälte, fast tot vor Müdigkeit. Ich kann nicht schlafen, weil das Ende mit solcher Plötzlichkeit gekommen ist, dass selbst ich, die ich es mir so lange schon ausgemalt hatte, entsetzt und überwältigt bin. Sie ist müde. Letzte Nacht noch lag ich in ihren Armen, und heute Abend hasse ich sie – was übersetzt heißen soll, ich bete sie an, ich kann nicht für mich im Bett liegen und die Magie ihres Körpers nicht spüren. Was bedeutet, dass es mir auf das Geschlecht nicht ankommt. Mit ihr spüre ich das ganze sogenannte sexuelle Begehren stärker als je mit einem Mann. Sie fesselt mich und versklavt mich, und ich bete sie und ihren vollkommenen Körper an. Wenn ich den Kopf an ihre Brust lege, weiß ich, dass ich alles fühle, was das Leben bereithalten kann. All meine Nöte und meine elenden Ängste sind wie weggeblasen. Weg sind die Erinnerungen an Caesar und Adonis4, weg die schreckliche Belanglosigkeit meines Lebens. Nichts bleibt als die Geborgenheit in ihren Armen. Und natürlich hätte ich noch vor einer Woche al