: Adrian Mühlebach
: Vom Autopiloten zur Selbststeuerung Alexander-Technik in Theorie und Praxis
: Hogrefe AG
: 9783456958378
: 2
: CHF 19.40
:
: Medizinische Fachberufe
: German
: 216
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Das erfolgreiche Werk wendet sich sowohl an Pädagogische Therapeuten, die die Alexander-Technik im Rahmen ihrer therapeutischen Arbeit anbieten sowie an interessierte Laien, die jenseits praktischer Übungen auch die besonderen neuropsychologischen Aspekte der Methode verstehen möchten. Erfahren Sie durch spannende Selbstexperimente mehr über sich selbst und wie der eigene Körper funktioniert: Steigerung von Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit durch körperorientiertes Selbstmanagement Erfolgreiche Methode bei Verspannungen und Schmerzen Umgang mit unerwünschten emotionalen Reaktionen und Stresssymptomen Unbewusste Gewohnheiten erkennen und neu selbst bestimmen Der Rezitator Frederick Matthias Alexander (1869-1955) entdeckte bei der Suche nach der Ursache für seine Stimmprobleme grundlegende Steuermechanismen des menschlichen Organismus. Er verband seine Entdeckungen mit jenen der damals noch jungen Hirnforschung und entwickelte daraus seine Technik der bewussten Selbststeuerung. Dank moderner bildgebender Verfahren haben die Neurowissenschaften in den letzten Jahrzehnten grundlegend neue Erkenntnisse über das Gehirn gewonnen. In diesem Buch wird anschaulich erklärt, wie dieses Wissen in der heutigen Praxis der Alexander-Technik integriert und genutzt wird.

2Wie wir uns bewegen

2.1 Die Bewegungsorganisation

Ein bewegter Körper ist ein lebendiger Körper. Er ist ein Organismus. Bewegung findet im Inneren jeder Zelle und im Austausch zwischen den Zellen statt. Die inneren Organe und die Körperflüssigkeiten bewegen sich. Bewegung braucht Raum, im Körper und außerhalb des Körpers. Der Körper entfaltet sich im Raum, er richtet sich in der Länge auf und breitet sich in die Weite aus. Diese Ausdehnung im Raum erzeugt einen geschützten Innenraum für unsere inneren Organe. Die Bewegung des Körpers im Außenraum ermöglicht den Austausch mit der Umwelt, das Handeln und Kommunizieren.

Die Bewegungsorganisation ist die Art, wie wir uns bewegen. Sie umfasst die Körperhaltung, die Koor­dination der Bewegungen, die Spannung der Muskulatur sowie die Funktionsfähigkeit unserer inneren Organe.

Wenn wir von Bewegungsorganisation sprechen, so steht zwar der Körper im Vordergrund, das Fühlen und Denken ist aber immer mit eingeschlossen.

Die Art, wie wir uns bewegen, kann Beschwerden im Bewegungsapparat und Störungen der inneren Organe, aber auch emotionale Probleme und Stresssymptome verursachen. Indem wir im Alltag innehalten und unseren Körper bewusst wahrnehmen, können wir unsere Bewegungsorganisation optimieren und die Störungen zum Verschwinden bringen.

2.2 Die natürliche Bewegungsorganisation

Eine Bewegungsorganisation, die für eine der Natur entsprechende, hohe Funktionsfähigkeit des Organismus sorgt, bezeichnen wir als natürlich. Dabei arbeiten die einzelnen Teilbereiche des Körpers für sich wie auch im Verbund auf optimalem Niveau. Die Gelenke sind frei beweglich, und die inneren Organe arbeiten einwandfrei. Sie werden weder durch eine schlechte Körperhaltung noch durch unnötig angespannte Muskeln oder ineffiziente Bewegungsmuster behindert.

Die natürliche Bewegungsorganisation gibt uns ein körperliches Wohlgefühl, Kraft und Leichtigkeit, aber auch innere Ruhe und Gelassenheit.

Allerdings gibt es den perfekt funktionierenden Organismus nicht. Wir alle haben unsere Schwachstellen, Einschränkungen und Behinderungen. Vielleicht haben wir diese bereits seit unserer Geburt, vielleicht haben sie sich im Laufe der Zeit entwickelt, sind durch Krankheiten oder Verletzungen physischer oder psychischer Art entstanden. Auch in unserem zukünftigen Leben werden belastende Erlebnisse und Situationen immer wieder störend auf uns einwirken.

Deshalb ist die natürliche Bewegungsorganisation weniger ein Ziel, das es zu erreichen gilt, als vielmehr eine Orientierung, um die eigene Bewegungsorganisation immer wieder neu zu optimieren.

Die natürliche Bewegungsorganisation bei kleinen und bei großen Leuten

Wer schon einen Säugling in seinen Armen gehalten hat (s.Abb. 2–1), erinnert sich vielleicht an diesen weichen, von seiner Atembewegung belebten Körper.

Abbildung 2–1: Der entspannte, von der Atembewegung durchflossene Körper des Babys

Babys haben meist eine natürliche Bewegungsorganisation. Ihr Körper ist optimal ausgerichtet und belebt von den inneren Bewegungen. Besonders gut von außen zu beobachten ist die Atembewegung, welche sich wellenartig durch den ganzen Körper ausbreitet.

Das Ziel ihres Daseins ist es, die elementaren Bedürfnisse wie körperliche Nähe, Nahrung und Wärme zu befriedigen. Ihre Aufmerksamkeit ist stark nach innen gerichtet.

Bei Kleinkindern verbindet sich diese innere Aufmerksamkeit bereits mit dem wachen Blick nach außen. Sie wollen die Welt entdecken. Der kleine Käfer am Straßenrand wird für sie zum Erlebnis. Das Kleinkind widmet sich seinem Tun, bewahrt dabei aber die Balance zwischen innen und außen. Es ruht in sich und steht gleichzeitig in einer lebendigen Beziehung zur Umwelt (s.Abb. 2–2).

Abbildung 2–2: Kleinkinder verbinden die innere Ruhe mit der äußeren Aufmerksamkeit.

Bei Kleinkindern zeigt sich die natürliche Bewegungsorganisation in der leichten Art zu stehen, zu sitzen, wie sie in sich ruhen und mit wachen Sinnen die Welt wahrnehmen. Ihr Körper bleibt auch gut ausgerichtet, wenn sie sich bewegen, einen Stuhl tragen, sich zum Boden bücken.

Doch nicht nur Babys und Kleinkinder ­verfügen über eine natürliche Bewegungsorganisation. Auch Erwachsene können mit müheloser, harmonischer Körperhaltung und effi­zienten, geschmeidigen Bewegungen durchs Leben gehen.

Beim Beobachten anderer Menschen können wir viel über uns ­lernen. Sie können uns anregen, die eigene Bewegungsorganisation zu prüfen.

Was lässt die Bewegungen eines Menschen leicht und anmutig, was schwerfällig und ungelenk wirken?

2.3 Merkmale einer natürlichen Bewegungsorganisation

Das Hauptmerkmal der natürlichen Bewegungsorganisation ist die Ausrichtung des Körpers im Raum (s.Abb. 2–3).

Abbildung 2–3: Die Ausrichtung des ­Körpers im Raum, in die Länge und Weite

In der natürlichen Bewegungsorganisation ist der Körper in die Länge und Weite ausgerichtet.

Ist der Körper gut im Raum ausgerichtet, hat er den Raum, den er braucht, damit der Organismus sowohl im Ruhezustand wie auch in der Bewegung gut funktionieren kann.

Bei Pflanzen lässt sich dieses Ausrichten im Raum sehr schön beobachten. Blätter und Blüten entfalten sich und erlangen so ihre volle Größe (s.Abb. 2–4).

Abbildung 2–4: Die Blumenblüte ent­faltet sich im Raum.

Der Mittelteil und die Bewegungsorgane

Schauen wir uns die räumliche Ausrichtung des menschlichen Körpers genauer an, erkennen wir als zentrale Struktur die Wirbelsäule mit ihren Endpolen, dem Becken und dem Schädel. Im Inneren des Schädels und der Wirbelsäule befindet sich das zentrale Nervensystem mit dem Gehirn und dem Rückenmark. Um die Wirbelsäule herum sind die inneren Organe wie das Herz-Kreislauf-System, die Atem-, die Verdauungs- und Geschlechtsorgane angeordnet. Becken, Wirbelsäule, Rippen und Schädel stützen und schützen die lebenswichtigen Organe, geben ihnen den Raum, damit sie optimal funktionieren können (s.Abb. 2–5a). Zusammen mit den inneren Organen und der umgebenden Muskulatur bildet diese Knochenstruktur den Mittelteil unseres Körpers.

Der Mittelteil umfasst die lebenswichtigen Organe. Becken, Wirbelsäule, Rippen und Schädel stützen und schützen sie. Die Bewegungsorgane Beine, Arme und Unterkiefer fügen sich von der Seite an den Mittelteil an.

Arme, Hände, Beine, Füße und Unterkiefer unterscheiden sich in ihrer Funktion vom Mittelteil. Sie sind unsere Bewegungsorgane. Die Beine und Füße dienen der Fortbewegung und Positionierung des Körpers im Raum, die Arme und Hände handeln, greifen, gestalten. Bewegt sich der Unterkiefer, entstehen Worte, oder er kaut Nahrung.

Schiebt man die beiden Hälften des Unterkiefers auseinander, erkennt man die anatomische Ähnlichkeit mit den Armen und Beinen. Auch sie kommen von der Seite an den Mittelteil (Abb. 2–5b).

Abbildung 2–5a und b: Der ganze Körper mit den inneren Organen (a), Mittelteil und Bewegungsorgane getrennt (b)

Die Unterscheidung von Mittelteil und Bewegungsorganen heißt aber nicht, dass der Mittelteil nicht auch beweglich wäre, im Gegenteil. Die Wirbelsäule im Zentrum des Mittelteils vereint in beeindruckender Weise die Stützfunktion mit der Beweglichkeit.

Diese Sichtweise auf den Körper bringt Klarheit in die Bewegungsorganisation, indem sie den beiden Bereichen ihre Aufgaben zuteilt, d.h. vor allem den Mittelteil von unnötigen Bewegungsaufgaben entlastet. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Beim Aufheben eines Gegenstandes vom Boden, ist es die Aufgabe der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke, sich zu beugen; der Mittelteil neigt sich zwar nach vorne, behält aber seine räumliche Ausrichtung in die Länge und Weite bei. Die Arme bewegen die Hände zum Gegenstand hin, die Hände ergreifen ihn. Häufig lässt sich jedoch ein anderes Bewegungsmuster beobachten. Die Beine bleiben gestreckt, der Mittelteil krümmt sich nach vorne und unten und verliert damit seine Ausrichtung. Der Rücken wird unnötig belastet.

Beim Sprechen öffnet und schließt sich der Mund, indem sich der Unterkiefer in den Gelenken bewegt. Der Schädel, welcher zum Mittelteil gehört, bleibt ruhig, in seiner Ausrichtung ungestört. Erfolgt die Trennung zwischen Schädel und Unterkiefer nicht so klar, öffnet sich der Mund nicht nur mit der Bewegung des Unterkiefers, sondern auch mit einem Nach-­hinten-Kippen des Schädels. Dabei verengen sich die Atemwege, und das Sprechen ist beeinträchtigt.

Das Verhältnis von Hals und Schädel

F.M. Alexander entdeckte die zentrale Bedeutung der Körperausrichtung für das optimale Funktionieren seines...

Vom Autopiloten zur Selbststeuerung1
Inhalt7
Vorwort11
Dank13
Teil 1 Alexander-Technik und Neuropsychologie15
1 Wie wir funktionieren17
1.1 Erfahrungen formen unsere Selbstorganisation17
1.2 Selbstorganisation – die Einheit von Bewegen, Fu?hlen und Denken18
2 Wie wir uns bewegen21
2.1 Die Bewegungsorganisation21
2.2 Die natu?rliche Bewegungsorganisation21
2.3 Merkmale einer natu?rlichen Bewegungsorganisation24
2.4 Störungen der Bewegungsorganisation31
3 Wie das Gehirn lernt37
3.1 Hirnteile und ihre Funktionen bei der Bewegungssteuerung37
3.2 Neuroplastizität – Das Gehirn ist eine Baustelle38
3.3 Leben heißt lernen40
3.4 Das Gedächtnis41
4 Den Körper wahrnehmen45
4.1 Körperwahrnehmung und Selbstmanagement45
4.2 Der Prozess der Körperwahrnehmung46
4.3 Das Körperbild48
4.4 Die Körperwahrnehmung entwickeln49
4.5 Das Handicap der Körperbewussten54
5 Natu?rliche Bewegungsprogramme installieren55
5.1 Wie Bewegungen gesteuert werden55
5.2 Neuprogrammierung59
5.3 Natu?rliche Bewegungsprogramme erlernen60
5.4 Wohlgefu?hl und Wiederholungen machen das neue Programm stark62
6 Natu?rliche Bewegungsprogramme anwenden63
6.1 So funktioniert es63
6.2 Innehalten und Wahrnehmen64
6.3 Den Körper ausrichten65
6.4 Mentale Anweisungen66
7 Mit Emotionen leben73
7.1 Farben des Lebens73
7.2 Wie Emotionen entstehen73
7.3 Emotionen und Bewegungssteuerung75
7.4 Störende Emotionen78
7.5 Konditionierte Reaktion81
7.6 Aufmerksam ans Ziel kommen84
8 Sich im Stress nicht verlieren87
8.1 Guter Stress – negativer Stress87
8.2 Wie Stress entsteht88
8.3 Stressreaktionen89
8.4 Kompetenter Umgang mit Stresssituationen90
8.5 Stressprävention92
9 Das Neue wagen97
Teil 2 Selbstexperimente99
10 Liegen – ein Geschenk101
10.1 Die regenerative Ru?ckenlage – Die Alexander-Technik-Basisu?bung101
10.2 Der Beckentrick – Wie die Wirbelsäule noch länger werden kann103
10.3 Die Wirbelsäule in den Boden sinken lassen104
10.4 Dem Mittelteil Länge und Weite geben105
10.5 Die regenerative Ru?ckenlage als tägliche Selbstpflege106
11 Stehen – die Ausgangsposition107
11.1 Frontal vor dem Spiegel stehen107
11.2 Symmetrisch und aufrecht108
11.3 Seitlich vor dem Spiegel stehen109
11.4 In der Lotlinie stehen110
11.5 Unser Körper – eine bewegliche Konstruktion111
12 Fu?ße113
12.1 Die Ausrichtung der Fu?ße115
12.2 Die Gewichtsverteilung in den Fu?ßen116
12.3 Die Fußstellung und die Aufrichtung des Beckens117
13 Knie119
13.1 Beweglich statt fest119
14 Becken und Hu?ftgelenke121
14.1 Lage der Hu?ftgelenke121
14.2 Ausrichtung des Beckens122
15 Wirbelsäule125
15.1 Die geschwungene Wirbelsäule126
15.2 Schwachstelle unterer Ru?cken127
15.3 Brustwirbelsäule129
16 Hals-Schädel133
16.1 Die obersten Gelenke des Körpers133
16.2 Nackenmuskeln und Körperhaltung135
16.3 Nackenmuskeln und Mund136
16.4 Der Schädel – beweglich wie ein Ball auf dem Wasser137
16.5 Der Schädel – leicht wie ein Luftballon138
17 Die Affenstellung139
17.1 Vom Stehen in die Affenstellung und wieder zuru?ck140
17.2 Etwas aufheben141
18 Alles ist verbunden143
19 Gehen oder die Kunst der Fortbewegung145
19.1 Die Bewegungsebenen der Beine146
19.2 Gehen wie eine Marionette147
19.3 Aus den Hu?ftgelenken gehen148
19.4 Zentriertes Gehen149
19.5 Ru?ckwärtsgehen150
19.6 Beim Gehen die Welt sehen151
19.7 Laufen152
20 Sitzen ist gar nicht so einfach155
20.1 Sitzen kulturgeschichtlich betrachtet155
20.2 Das Sitzen in unserer Lebensgeschichte155
20.3 Sitzen anatomisch betrachtet156
20.4 Die richtige Stuhlhöhe156
20.5 Die natu?rliche Beckenstellung157
20.6 Die Wirbelsäule richtet sich auf158
20.7 Position der Fu?ße159
20.8 Sitzen mit Ru?ckenlehne160
20.9 Dynamisches Sitzen160
20.10 Aufstehen vom Stuhl161
20.11 Sich setzen163
20.12 Sitzen am Arbeitstisch165
20.13 Sitzen am PC166
20.14 Sitzen im Auto167
21 Arme – Handeln im Raum169
21.1 Die Verbindung der Arme zum Skelett169
21.2 Wahrnehmung des Schlu?sselbein-Brustbein-Gelenks170
21.3 Position der Schultern171
21.4 Schreiben174
22 Atmung – die innere Bewegung175
22.1 Wie die Atmung funktioniert175
22.2 Atembewegung im Bauchraum177
22.3 Atembewegung im Sitzen178
23 Mund, Kiefer, Zunge – ein spannender Bereich179
23.1 Der Unterkiefer181
23.2 Lage der Kiefergelenke182
23.3 Beißen oder Nichtbeißen183
23.4 Die Zunge im Unterkiefer184
23.5 Schubladenbewegung185
23.6 Lächeln186
24 Die Stimme bringt uns in Schwingung187
24.1 Töne aufsteigen lassen188
24.2 Durch die Nase und den Mund189
25 Sehen – auch eine Gewohnheitssache191
25.1 Vom Auge ins Bewusstsein191
25.2 Augen horizontal geradeaus193