So erstaunlich es für manche klingen mag, so selbstverständlich ist es doch, dass Dolmetscher ein Vertrauen erweckendes Auftreten sowie eine rhetorische Kompetenz bilden, die conditio sine qua non seiner Akzeptanz bei Gericht und bei den Parteien. Hier gelten sinngemäß die Ergebnisse der psychologischen Forschung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Rednern. Zum beruflichen Überleben darf der Dolmetscher den verschiedenen Parteien (Richter, Staatsanwalt, Verteidiger …) keine Angriffsfläche zur Kritik bieten.
Alle Gerichtsparteien müssen das Gefühl bekommen, dass sie sich auf einen erfahrenen Dolmetscher bedingungslos verlassen können.
Der Dolmetscher ist aus berufsethischen Gründen neutral und muss diesen Anspruch auch äußerlich deutlich vermitteln. Aus denselben Gründen darf er keine falschen Erwartungen über seine Funktion hervorrufen und auf keinen Fall die Aufmerksamkeit ungebührlich auf sich lenken; daher hat seine äußere Erscheinung (Kleidung, Schmuck, Frisur etc.) diskret zu sein. Dies ist nicht nur als Zeichen der Achtung vor der Justiz wichtig, sondern auch, um bei Menschen aus anderen Kulturen zuverlässig und vertrauenswürdig zu erscheinen. Dolmetschen ist eine Dienstleistung; Anbieter von Dienstleistungen stellen ihre Belange üblicherweise hinter die ihrer Kundschaft bzw. Auftraggeber. Ein Arzt oder ein Notar mit auffälligen Piercings und Punkfrisur würde im Allgemeinen auch nicht als vertrauenswürdige Erscheinung wahrgenommen werden.
Das Einhalten der Grundregeln der Höflichkeit und der kulturellen Bräuche muss selbstverständlich sein. Dies gilt insbesondere für die Begrüßung und für die Vorstellung als Dolmetscher, aber auch für Situationen, in denen unentbehrliche Klärungsfragen gestellt werden müssen oder für die angemessene Reaktion auf berechtigte und sogar unberechtigte Kritik.
Spezifische Fertigkeiten, die dem Erwerb und der Verbesserung der mündlichen Dolmetschkommunikation dienen, werden nun in diesem Modul zuerst beschrieben. Angesprochen werden: Souveränität durch sicheres und korrektes Auftreten, visualisierendes Gedächtnis, Redegewandtheit, freies Sprechen und korrekte Vorlesetechnik.
So offensichtlich es auch erscheinen mag, die richtige Atemtechnik ist die Grundlage einer guten Dolmetschleistung. Richtiges Atmen ist zur Bekämpfung des Stresses und zur Förderung der Konzentration unentbehrlich. Die Modulierung der Stimme hängt auch direkt von der Atmung ab. Gemeint ist hier eine korrekte Bauchatmung.
Gerades Stehen und gerades Sitzen sind Grundvoraussetzung für das richtige Atmen. Beim Sitzen sollte man vermeiden, die Atmung durch Anlehnen an die Tischkante zu behindern. Andererseits vermittelt eine gerade Körperhaltung den Eindruck professioneller Selbstsicherheit. Dabei soll das Körpergewicht gleichmäßig auf beiden Füßen verteilt werden. Der so genannte „Bärentanz“, d.h. das Balancieren von einem Fuß auf den anderen, irritiert das Publikum und zeigt die Verlegenheit des Dolmetschers allzu deutlich.
In nördlichen Ländern wirkt Gestikulieren unseriös. Eine dezente Gestik ist dennoch sehr hilfreich zur Unterstützung der richtigen Wortwahl. Einige Grundsätze sollten dabei beachtet werden:
Die Hände und Arme bewegen sich im Bereich des Oberkörpers und unterhalb des Halses. Gesicht und Haare sollten möglichst nicht berührt werden, da dies das Publikum ablenkt. Die Arme zu verschränk