Drei Worte. »Ruf den Notarzt!«, ist die klare und sehr bestimmte Anweisung der erfahrenen Hebamme bei der Hausgeburt unseres Sohnes. Er kommt blau in diese Welt. Die Nabelschnur liegt drei Mal um seinen Hals und hat einen festgezurrten Knoten. Er wirkt leblos. Während der Vater zum Telefon eilt und die Hebamme den Sauerstoff holt, ist mir bewusst, dass wir mit der Geburt schon an der Schwelle des Todes stehen könnten. Ich erlebe diesen Moment in einer Art Hyperbewusstsein, in unbeschreiblicher Weite und unerschütterlichem Vertrauen. Offen für alles, was jetzt geschehen mag. Auch offen für den Tod. Es gibt keine Gedanken. Mein Bewusstsein ist erweitert. Ich denke nicht über die Situation nach. Alles, was ich tue, tue ich ohne Gedanken. Ich bin nicht der Lenker meines Handelns. Es geschieht in Zeitlupe. Ich nehme das Kind, atme ein und lege meine Lippen auf seine. Dann atme ich aus. In diesem Moment reißt es seine großen schwarzen Augen weit auf, und ich kann sie sehen. Unverstellt. Es ist, als erhaschte ich einen Blick in das Universum, das, was sonst nur Raumfahrer erleben dürfen. Erhabenheit. Stille. Voller Demut. Ich blicke in seine wilde Seele. Es atmet.
Grenzerfahrungen
Musstest du schon einmal um dein Leben laufen? Hast du jemals ein Auto gestemmt, weil ein Mensch darunter lag? Echte Todesangst empfinden die meisten Menschen höchst selten im Leben. Die, die solche Erlebnisse kennen, berichten häufig: »Es war wie in Zeitlupe«, »Es war surreal«, »Ich habe alles gleichzeitig wahrgenommen, nicht nur den Menschen, der mir die Pistole an die Schläfe drückte, ich hatte dabei keinerlei Emotion, so ein Gefühl von Weichheit und Weite«. Sie berichten von einem Flow-Zustand, den auch Chirurgen und Künstler gut kennen: keine Gedanken, keine Emotionen und dennoch eindeutiges Handeln. Der Verstand und das konditionierte Denken setzen aus. Das Bewusstsein erweitert sich über den Körper hinaus. »Ich lief, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich in meinem Körper war«, »Ich spürte keinen Schmerz, mein Bewusstsein hatte den Körper verlassen«, »Ich weiß nicht, woher ich die Kraft genommen habe, ich hab nicht darüber nachgedacht, ich hab es einfach gemacht«. Was diese Menschen erleben, ist vollkommen anders als die Emotion Angst, die unser Verstand tagtäglich erzeugt. Wer ohne Gedanken ist, kann keine Angst haben und erlebt Weite, Energie und Verbundenheit.
In Extremsituationen passiert es automatisch, dass das Denken aussetzt. Die Ratio wird abgeschaltet, etwas anderes übernimmt. Es ist mehr als ein Überlebensinstinkt. Es ist eine besondere Erfahrung des Selbst, die einen tiefen Eindruck hinterlässt und die eigene Sichtweise auf das Leben für immer verändern kann. Diese Erfahrung hat weniger mit dem Tod zu tun als vielmehr mit dem Leben. Du erlebst sie auch, wenn du in einer Beschäftigung versinkst und in eine Art Rausch gerätst: Du denkst nicht mehr, wirst eins mit dem Bild, das du malst, oder der Sportart, die du ausübst. Viele Jogger kennen das Läufer-High. Mehr oder minder stark setzt dieser Zustand immer dann ein, wenn wir es schaffen, das kontinuierliche Geplapper im Kopf zu unterbrechen. Yogis und Meditierende suchen danach und werden manchmal auch fündig. Es setzt ein, wenn du so sehr mit dem Objekt deiner Aufmerksamkeit verschmilzt, dass kein anderer Gedanke mehr dazwischenfunkt und dich ablenkt. Im Alltag sind wir nicht oft ohne Gedanken. Die meisten haben Ang