2. KAPITEL
Ein heftiger Sturm tobte über dem Meer, und niemand auf Herringdean wunderte sich, dass die Besatzung des Seenotkreuzers zu einem Einsatz gerufen wurde. Ein paar Bewohner der Insel hatten sich zusammengefunden, um zu beobachten, wie das Rettungsschiff ablegte. Später, als es in den Hafen zurückkehrte, wartete dort eine deutlich größere Menge.
Die Schiffbrüchigen wurden rasch an Land gebracht, wo bereits mehrere Krankenwagen warteten, um sie ins Hospital zu fahren. Die Retter konnten aufatmen, ihre Schwimmwesten ausziehen und sich erschöpft nach Hause begeben.
Harriet holte, ehe sie aufbrach, ihr Handy heraus. „Geht es ihm gut?“, fragte sie, lauschte einen Moment lang und meinte dann: „Okay, ich mache mich jetzt auf den Heimweg.“
Vorher allerdings musste sie in der Seenotrettungsstation noch kurz ihren Einsatzbericht verfassen. Gemeinsam mit ihren Kollegen Walter und Simon trat sie schließlich auf die Straße hinaus.
„Du hast dich am Telefon besorgt angehört, Harry“, sagte Walter. „Ist jemand krank?“
„Nein, nein, es ging um Phantom. Ich bin in letzter Zeit seinetwegen etwas beunruhigt und habe daher meine Nachbarin gebeten, auf ihn achtzugeben.“
Walter runzelte die Stirn. „Was ist mit ihm? Früher hast du ihn doch immer allein gelassen, wenn du nicht allzu lange fort warst.“
„Früher hatte ich auch keinen Grund, mir Sorgen um seine Sicherheit ihn zu machen. Aber dieser Mann hat zu viel Macht.“
„He, du sprichst in Rätseln!“
Sie holte einen Zeitungsausschnitt aus der Tasche und hielt ihn Walter hin.
Der betrachtete das Foto und las dann die Bildunterschrift. „Darius Falcon, der einflussreiche, von seinen Konkurrenten gefürchtete Geschäftsmann – wird es ihm gelingen, sein Finanzimperium zu retten?“ Er gab ihr den Artikel zurück. „Du meinst, dieses Finanzgenie kennt deinen Phantom?“
„Falcon ist seit Kurzem der Besitzer von Herringdean. Rancing hat die Insel verkauft, weil er in Geldproblemen steckte.“
Simon begann zu fluchen. „Und wir, die wir hier leben, erfahren natürlich nichts davon.“
„Wir einfachen Leute bedeuten den Reichen und Mächtigen eben nichts. Ihr macht euch ja keine Vorstellung davon, wie arrogant dieser Falcon ist.“
„Du hast ihn kennengelernt?“
„Hm … Vor ein paar Tagen habe ich ihn am Strand bei Giant’s Beacon getroffen. Phantom hat sich voller Begeisterung auf ihn gestürzt und seinen Anzug ruiniert. Woraufhin er sagte, solche Hunde dürften nicht frei herumlaufen.“
„Scheint ein unsympathischer Kerl zu sein! Aber vielleicht hat er seinen Ärger längst überwunden.“
„Bestimmt nicht. Wenn ihr sein Gesicht gesehen hättet, wüsstet ihr, dass er außer sich vor Wut war. Sonst würde ich mir bestimmt keine Sorgen um Phantom machen. Doch genug davon. Ich will nach Hause.“
Die beiden Männer schauten ihr nach, und Simon sagte: „Mir scheint es ein bisschen übertrieben, einen Leibwächter für einen Hund zu engagieren.“
„Du weißt doch, wie sie an Phantom hängt.“ Walter seufzte. „Der Hund ist alles, was ihr von Brad geblieben ist. Erinnerst du dich noch daran, wie glücklich die beiden waren? Er hätte nicht so früh sterben dürfen.“