Auf seinen Knotenstock gestützt humpelt Graf Stanislaus von Sanden zu seinem Lieblingsplatz, dem geschnitzten Lehnstuhl. Ächzend läßt er sich nieder. Seine Stirn ist in tiefe Falten gelegt. Unter den buschigen, eisgrauen Brauen hervor mustert er Gregor, seinen ältesten Sohn.
Der junge Graf ist hochgewachsen und stattlich. Er ähnelt dem Vater sehr, hat die gleichen ausgeprägten Züge mit dem recht energischen Kinn und den scharfen grauen Augen. Das dunkle Haar fällt ihm etwas ungebärdig in die kantige Stirn. Für sein junges Alter – er hat die Dreißig noch nicht erreicht – wirkt er ein bißchen allzu ernst.
Stanislaus von Sanden ist in seiner Jugend für seine Wildheit und seine vielen Liebesabenteuer bekannt gewesen. Darum wundert er sich oft, wie er zu so einem ernsthaften, mehr als pflichtbewußten Sohn kommt.
Der Junge muß das von der Mutter haben, die stets mit einem griesgrämigen Gesicht herumgelaufen ist. Graf Stanislaus führte Henriette zum Traualtar, weil die Eltern darauf bestanden. Sein herrliches, ungebundenes Leben hatte er deswegen aber nicht aufgegeben. Und schließlich hatte seine Frau sich zu Tode gegrämt. Allzu traurig ließ sie den Gatten nicht zurück, nur der kleine Gregor weinte ihr viele Tränen nach.
Jahre später lernte Stanislaus von Sanden dann Melanie von Ottersberg kennen und empfand zum ersten Male heiße, verzehrende Liebe. Melanie wurde seine zweite Frau und schenkte ihm ebenfalls einen Sohn. Und noch heute wird das lebenslustige, extravagante Geschöpf von dem alternden Grafen sehr verehrt. Daran ändert nichts, daß sie sich um den Kränkelnden herzlich wenig kümmert, sondern ihrer Wege geht. Genau wie Lothar, beider Sohn, der das überschäumende Temperament und den Leichtsinn von der Mutter erbte.
Wie unterschiedlich meine Söhne sind, denkt der Graf gerade. Weiß Gott, Lothar ist mir lieber, auch wenn er mein ganzes Geld auf den Kopf haut. Gregor mit seiner Gefühlsduselei und seinem überspannten Ehrgefühl geht mir auf die Nerven. Immer, wenn ich ihn sehe, ist mir, als sähe Henriette mich aus vorwurfsvollen Augen an!
»Ist dir auch warm genug, Vater?« fragt ihn Georg besorgt, weil er bemerkte, daß der Graf fröstelnd die mageren Schultern hochgezogen hat.
»Hm«, knurrt Stanislaus von Sanden. »Du kannst mir meinen Tabaksbeutel und einen Kognak geben.«
»Bitte nicht, Vater – zumindest nicht so dicht vor dem Essen. Erst gestern hat es dir der Arzt verboten.«
Wütend stampft der alte Mann mit dem Knotenstock auf die Erde. »Gönnt man mir in diesem Haus denn gar nichts mehr?«
In Gregors hohe Stirn ist helle Röte gestiegen. »Ich meine es doch nur gut, V