: Claude Cueni
: Der Mann, der Glück brachte Roman
: Lenos Verlag
: 9783857879630
: 1
: CHF 16.80
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 278
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Lukas Rossberg lag seit einem Kopf- und Lungendurchschuss, den er als Unbeteiligter bei einem Casinoüberfall erlitten hatte, sieben Jahre im Wachkoma. Als er nach der Reha ins Leben zurückkehrt, ist nichts mehr so, wie es war: Seine Freundin hat ihn verlassen, die Angestellten seiner IT-Firma sind ins Silicon Valley ausgewandert. Und die Folgen seiner schweren Verletzungen bleiben spürbar, er hat Gedächtnisausfälle und Depressionen. Sein alter Freund Robert Keller gibt ihm aus Mitleid einen Job bei der Lotteriegesellschaft. Fortan berät Lukas frischgebackene Lottomillionäre - er wird der Mann, der Glück bringt, aber selbst kein Glück hatte. Doch das eigenartige Verhalten des Lotteriechefs weckt schon bald sein Misstrauen. Der Verdacht, dass sich in der verhängnisvollen Casinonacht manches anders zugetragen hat, erhärtet sich. Als Lukas schließlich den Server der Lotteriegesellschaft hackt, kommt er Roberts Komplott auf die Spur. In seinem neuen Roman blickt Claude Cueni in die Seele eines nicht nur körperlich verletzten Menschen, der seinen Frieden finden will, aber stattdessen hinter ein Geheimnis kommt, das seine Rachegelüste weckt.

Claude Cueni, geboren 1956 in Basel. Nach dem frühzeitigen Abbruch der Schule reiste er durch Europa, schlug sich mit zwei Dutzend Gelegenheitsjobs durch und schrieb Geschichten. Mittlerweile hat er über fünfzig Drehbücher für Film und Fernsehen sowie zahlreiche Theaterstücke, Hörspiele und Romane verfasst.

1


»Jetzt haben Sie Ihr Leben zurück.«

»Welches Leben?« Ich schaute auf den Park hinunter, es war Sommer, die Menschen trugen bunte T-Shirts und dunkle Sonnenbrillen, einige waren zu zweit, andere hatten nur ein Handy, sie kamen und gingen, sie hatten alle einen Plan, ich hatte keinen.

»Werden Sie nicht abgeholt?«

Ich drehte mich um. Sabrina Padelli stand immer noch mit meiner Adidas-Tasche in der offenen Zimmertür. Sie war um die dreissig und hatte halblanges braunes Haar. Ich wollte ihr sagen, dass ich von niemandem erwartet wurde und meine Rückkehr vielleicht nicht allen gefallen werde, aber ich verkniff mir die Bemerkung. Mich ihr anzuvertrauen, hielt ich für eine schlechte Idee – Padelli hatte über die psychosozialen Folgen schwerer Schädel-Hirn-Traumata promoviert, ging zweimal die Woche schwimmen und verfasste Berichte über mich.

»Sie hatten damals nach Ihrer Einlieferung oft Besuch, eine junge Frau, können Sie sich erinnern?«

Ich ging langsam auf sie zu. »Das war früher«, sagte ich mit schleppender Stimme, »jetzt ist nicht mehr früher.«

Sie schien besorgt und zog die Stirn in Falten, wie sie es in letzter Zeit immer getan hatte, wenn sie spürte, dass ich mir keine Illusionen mehr machte. Aber es war nicht meine Aufgabe, sie aufzumuntern, sie hingegen wurde dafür bezahlt, mich und meine Adidas-Tasche nach Hause zu bringen.

»Sie wollen immer noch nicht darüber sprechen«, stellte sie bedrückt fest, als empfinde sie meine Weigerung als persönliches Versagen.

Wir traten auf den bunt gestrichenen Flur hinaus, ein bisschen Flower-Power im Todestrakt, sie taten hier alles, damit wir uns besser fühlten. Nach ein paar Schritten blieb ich stehen, hatte bereits Mühe mit dem Atmen. Ich warf einen letzten Blick in Zimmer 204, das in den letzten Jahren mein Zuhause gewesen war. Ich war da und war doch nicht da. Als wir den Flur entlanggingen, fragte die Psychologin, worauf ich mich am meisten freute