: Jack London
: König Alkohol
: e-artnow
: 9788026884453
: 1
: CHF 1.80
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 161
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der amerikanische Schriftsteller Jack London zeichnet in seinem Buch König Alkohol seine persönlichen Erfahrungen mit dem Alkohol nach. Wie der ab 1914 eingeführte Untertitel or Alcoholic Memoirs bereits andeutet, befasst sich der Autor in diesem Text mit verschiedenen Abschnitten seines eigenen Lebens. Der Fokus liegt hierbei zum einen auf dem noch heranwachsenden Jack London, der sich als Matrose verdingt und zum anderen auf dem älteren, inzwischen wohlhabenden Jack London, der sich in der Gesellschaft und als Schriftsteller bereits etabliert hat. Jack London sieht für das Wilde und Abenteuerlustige in seinen Jugendjahren den Genuss von Alkohol verantwortlich. Mit Blick auf seine schriftstellerische Karriere schreibt er dem Alkohol einen Anteil am Erfolg zu, obgleich er auch die negativen Aspekte des Alkohols aufgreift, der seine Gesundheit beeinträchtigt hat.

Jack London (1876-1916) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er erlangte vor allem Bekanntheit durch seine Abenteuerromane Ruf der Wildnis und Wolfsblut sowie durch den mehrfach verfilmten Abenteuerroman Der Seewolf und den autobiographisch beeinflussten Roman Martin Eden. Diese Werke geben gleichzeitig eine Übersicht über die geographischen Räume, die er kannte: den arktischen Norden Nordamerikas (Klondike) zur Zeit des Goldrausches, Kalifornien und den Pazifik bzw. die Seefahrt auf diesem Ozean.

Zweites Kapitel



Diese physische Abneigung gegen den Alkohol habe ich nie überwinden können. Aber ich habe mit ihr gekämpft. Bis zum heutigen Tage bekämpfe ich sie jedesmal, wenn ich ein Glas trinke. Der Gaumen hört nie auf, zu rebellieren, und auf ihn kann man sich verlassen, wenn man wissen will, was gut oder schädlich für den Körper ist. Aber Männer trinken nicht um der Wirkung willen, die der Alkohol auf den Körper ausübt. Sie trinken wegen der Wirkung auf das Gehirn; und ist der Körper auch nur der Mittler – um so schlimmer für ihn.

Und doch waren, trotz meiner physischen Abneigung gegen den Alkohol, die Kneipen in meiner Jugend mein liebster Aufenthalt. Wenn ich, in dichten Nebel gehüllt, auf dem schweren Kartoffelwagen saß und mir die Füße aus Mangel an Bewegung eingeschlafen waren, während die Pferde sich langsam über den sandigen Weg zwischen den Dünen hinschleppten, gab es eine lichte Vision, die mir den Weg nie zu lang werden ließ. Diese lichte Vision war die Wirtschaft in Colma, wo mein Vater, oder wer sonst fuhr, stets abstieg, um etwas zu trinken. Und ich stieg auch ab, um mich an dem großen Ofen zu wärmen und einen Pfefferminzbonbon zu bekommen. Nur einen Pfefferminzbonbon, aber das war ein fabelhafter Luxus. Kneipen hatten also ihr Gutes. Wenn ich nachher hinter den trabenden Pferden saß, konnte ich eine ganze Stunde an diesem einen Bonbon lutschen. Ich leckte ganz wenig daran und lutschte, bis er zu einem ganz winzig kleinen, herrlichen Plättchen geworden war. Und dies Plättchen durfte ich ja nicht überschlucken. Ich lutschte und sog daran, drehte es immer wieder mit meiner Zunge um, schob es bald in die eine, bald in die andere Backe, bis schließlich das Ende kam und es in kleinen Tröpfchen durch meine Kehle rann und träufelte. Horace Fletcher hätte, soweit es Pfefferminzbonbons betraf, nichts gegen mich einwenden können. Ich liebte die Kneipen. Besonders in San Francisco. Dort gab es die herrlichsten Leckerbissen – merkwürdige Brote und Kuchen, Käse, Würste, Sardinen –, wunderbare Nahrungsmittel, wie ich sie nie daheim auf unserm mageren Tische sah. Und einmal, das weiß ich noch, mischte mir der Kellner ein süßes Getränk aus Fruchtsaft und Selterwasser. Mein Vater brauchte nichts dafür zu bezahlen. Der Kellner spendierte, und er wurde das Ideal eines guten freundlichen Mannes für mich. Jahrelang träumte ich Wachträume von ihm. Obwohl ich damals erst sieben Jahre alt war, sehe ich ihn heute noch mit gleicher Deutlichkeit vor mir, obgleich ich ihm nie wieder begegnet bin. Die Kneipe befand sich im Süden der Market Street in San Francisco, auf der Westseite der Straße. Wenn man eintrat, lag der Schanktisch links vom Eingang. Rechts, an der Mauer, stand der Freilunchtisch. Es war ein langer, schmaler Raum, und im Hintergrunde, hinter den angestochenen Fässern, standen kleine runde Tische und Stühle. Der Kellner hatte blaue Augen und schönes, weiches Haar, das unter einem schwarzen Käppchen hervorlugte. Ich entsinne mich, daß er eine braune Strickjacke trug, und ich weiß noch genau die Stelle, von der er die Flasche mit dem roten Fruchtsaft nahm. Er sprach lange mit meinem Vater, und ich nippte an meinem roten Trank und betete den Spender an. Und noch nach Jahren pflegte ich sein Gedächtnis.

So stieß ich trotz meiner abschreckenden Erfahrungen immer wieder