Kapitel 1
„Hilfe!“
Kendalls Lunge brannte und sein Herz raste. Vom puren Grauen gejagt, stürmte er voran.
„Hilfe!“, stieß er keuchend hervor, während er durch die Nebelschleier floh und das zarte Gespinst wie Spinnenseide zerriss. Die blanke Angst saß ihm im Nacken und der Schweiß lief ihm unangenehm klebrig über den Rücken. Seine grünen Turnschuhe trommelten stakkatoartig über den Asphalt. Während er rannte, wagte er einen Blick zurück, obwohl er wusste, dass das überhaupt nicht klug war. Dass ihn diese winzige Bewegung wertvolle Sekundenbruchteile seines Vorsprungs kosten würde. Es war wie ein Zwang. Zu erkennen war nichts, da der Nebel seinen unheimlichen Verfolger verbarg. Aber er war da. Kendall konnte die unsägliche Boshaftigkeit, die er ausstrahlte, regelrecht spüren. Wie zur hämischen Bestätigung seiner Wahrnehmung vernahm er das Kratzen von Krallen auf Stein, ein leises Hecheln, gefolgt von einem bedrohlichen Knurren. Kendall presste eine Hand auf seine verletzte Seite und hetzte quer über die Straße. Sein Angreifer hatte Blut geleckt und er ahnte, dass allein dieser Geruch die Bestie auf seine Spur bringen würde. Der Nebel bot ihm keinerlei Chance, dem Verfolger zu entkommen. Sollte ihm allerdings die Flucht durch den Park gelingen, hätte er beinahe die rettende Insel – sein Zuhause – erreicht. Er würde die Tür hinter sich zuschlagen und in der Sicherheit seiner Wohnung … Ein schauriges Heulen erklang viel zu nah hinter ihm. Vor Schreck geriet Kendall ins Stolpern.
Er begriff nicht, wovor genau er eigentlich davonrannte. Erst vor wenigen Minuten war er gut gelaunt aus dem Studentenpub auf die Straße getreten, um nach einem Glas Bier gemütlich nach Hause zu schlendern. Er mochte diese frühen Nächte, in denen die Straßen menschenleer waren und der Londoner Nebel zäh über die Bürgersteige kroch. In weiße Schwaden gehüllt wirkte die englische Metropole anders, still und unwirklich wie eine geheimnisvolle Märchenwelt. Und genau wie in einem Märchen war aus einer Einfahrt plötzlich ein geiferndes Etwas gesprungen. Kendall hatte lediglich einen kantigen Schädel mit breitem Fang und verflucht viele Reißzähne registriert, als dieses … dieses Ding nach ihm schnappte. Es war Glück im Unglück gewesen, dass diese fürchterlichen Zähne hauptsächlich seinen Ledergürtel erwischten und sich nicht festbeißen konnten. Dennoch blutete er aus einer schmerzhaften Fleischwunde. Er hatte sich nicht lange aufgehalten, um das hässliche Ding näher zu betrachten oder auf einen zweiten Angriff zu warten, sondern war wie von Sinnen losgerannt, um sein Heil in der