Der Frühling lag in der Luft.
Er war noch nicht zu sehen. Auf den Wiesen und Feldern hinter dem Schloss und im Wald gab es noch jede Menge Schnee und an den Rändern des Sees zog sich eine dünne Eisschicht entlang. Aber als Zoe jetzt die Augen schloss und tief einatmete, konnte sie es riechen: den Duft von frischem grünen Gras und wilden Frühlingsblumen. Sie spürte die Wärme der Sonne in ihrem Gesicht und hörte Vögel, die in den noch kahlen Ästen der Bäume zwitscherten. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie mit dem Nestbau begannen.
Sie machte die Augen wieder auf und trat durch den hohen Torbogen auf den Steinsteg, der über den Schlossgraben führte. Dann rannte sie los. Am Parkplatz vorbei hinunter zur Pferdeweide.
Obwohl die schneebedeckten Berggipfel im Sonnenlicht badeten, war es empfindlich kühl. Die Pferde, die erwartungsvoll die Köpfe hoben, als Zoe an das Holzgatter trat, störte die Kälte nicht. Ein dichtes langes Fell bedeckte ihre Körper und schützte sie vor Schnee und Nachtfrösten. Sie hatten den ganzen Winter auf der Koppel verbracht.
„Hallo, Silver.“ Zoe streichelte die samtige Nase der silbergrauen Stute, die ihren Kopf über die Absperrung streckte. Ihre Augen suchten währenddessen die Weide ab. Und als sie Shaman sah, machte ihr Herz einen kleinen Satz.
Der schwarzeMustang kam mit langsamen, zögernden Schritten auf sie zu. Seine Ohren waren hoch aufgerichtet, seine Nüstern geweitet, die goldbraunen Augen wachsam. Früher wäre er auf Zoe zugaloppiert. Die Erinnerung tat weh.
Sie blieb ruhig stehen. Zwang sich abzuwarten.Lass ihn kommen, sagte Caleb immer.Lass ihm Zeit.
Als er vor ihr stand, schüttelte Silver ihre Mähne und verzog sich. Die Stute spürte, dass Zoe jetzt ganz bei Shaman war.
Zoe streckte ihre Hand aus, die Handfläche offen und nach oben gerichtet. Ein Angebot. Und Shaman nahm es an.
Er senkte den pechschwarzenKopf, schnupperte an ihren Fingern. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Haut und atmete seinen würzigen Duft ein. Genoss seine Nähe.
Erst nach einigen Minuten hob sie die Hand und ließ ihre Finger behutsam über seine Stirn wandern. Sie strich über seine verfilzte Mähne. Es war so lange her, dass sie sie das letzte Mal gekämmt hatte. Er ließ sie gewähren und hielt ganz still.
„Soll ich mal zu dir reinkommen?“, flüsterte Zoe.
Sein Körper versteifte sich, als ob er die Frage verstanden hätte und erst darüber nachdenken müsste. Aber dann wich er nicht zurück, sondern machte sogar einen kleinen Schritt auf sie zu.
„Also gut“, wisperte Zoe. Ihr Herz schlug jetzt schnell und aufgeregt.
Siezwang sich, ein paarmal tief durchzuatmen, bevor sie einen Fuß hob und auf das untere Brett der hölzernen Absperrung stellte, diedie Pferdeweide umgab.
Shaman beobachtete sie aufmerksam, doch er machte keine Anstalten zu fliehen. Auch als sie ihre Beine über das Gatter s