: Livia Klingl
: Der Lügenpresser Roman
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218011181
: 1
: CHF 8.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dr. Karl Schmied, 62, ist verliebt. In Sonja aus Moldawien. Weil die Zukunft verheißungsvoll ist, schaut der Boulevardjournalist und studierte Historiker auch in die Vergangenheit zurück. Aus kleinen Verhältnissen stammend, hat er etwas aus sich und seinem Leben gemacht. Mit vielen Veränderungen im Land ist er durchaus zufrieden, aber dass man keinen 'Mohr im Hemd' mehr bestellen darf und gleichgeschlechtliche Paare jetzt auch noch heiraten wollen, geht ihm dann doch zu weit. EU, Migranten, Flüchtlinge, Roboterisierung, Social Media, die Krise der Politik und der Zeitungen: Karl Schmied sieht schwarz für die Zukunft. In seinem kleinen Kosmos fühlt er sich durchaus wohl. Bis zwei unerwartete Nachrichten sein sorgfältig zurechtgezimmertes Selbstbild krachend zum Einsturz bringen - worauf der vermeintlich Besonnene zu einem drastischen Mittel greift. Mit spitzer Feder und hintersinnigem Witz taucht Livia Klingl in ihrem ersten Roman tief in die österreichische Seele ein. Sie schickt Karl Schmied auf eine Reise durch das Gestern, das Heute und das zu erwartende Morgen und blickt hinter die Fassade eines Menschen, der wie so viele andere auch das Gefühl hat, aus dieser unberechenbaren Zeit gefallen zu sein.

Livia Klingl, geboren 1956 in Wien, mehr als 20 Jahre Kriegs- und Krisenberichterstatterin vom Balkan über Afghanistan bis Irak, Iran und Libanon, neun Jahre Leiterin des Außenpolitik-Ressorts im 'Kurier' und Buchautorin. Österreichischer Staatspreis für 'publizistische Leistungen im Interesse der Geistigen Landesverteidigung' im Jahr 2000, wohnt als passionierte Realistin (Eigendefinition) in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus, dem Bezirk mit der niedrigsten Kaufkraft und dem höchsten Ausländeranteil. 'Der Lügenpresser' ist ihr erster Roman.

IN DER FRÜH, ZU HAUSE IM BETT


Niemals hätte ich mir das früher vorstellen können, aber jetzt weiß ich es. Das sind keine kitschigen, aber nie wahr werdenden Erzählungen aus Frauenromanen und ihren erst recht kitschigen Verfilmungen im deutschen Fernsehen, bei denen ich sofort wegschalten muss, weil dieses Gesülze hält ja kein Mensch aus. Jedenfalls kein Mann. Nein, das gibt es wirklich, dieses Ankommen, Sich-zu-Hause-Fühlen, diese beglückende Zweisamkeit, die Romantik, die Zärtlichkeit, dieses Einander-Wollen!

Ich erkenne mich kaum wieder! Dass ich einmal im Bett liegen und jemandem anderen am Kopfpolster nachspüren würde, noch einen Hauch vom Duft der anderen Person festhalten möchte, hätte ich nie im Leben von mir selber gedacht. Aber jetzt liege ich hier in den zernudelten Laken, auf denen wir die vergangenen Stunden verbracht haben, aneinandergekuschelt wie zwei schlafende Kätzchen.

Sonjas leicht vom Schweiß der Nacht verschwitzte Bettdecke habe ich an meinen Körper und zwischen meine Beine gepresst, meinen Kopf auf ihrem Polster, die Nase eingetaucht wie in ein Parfümflakon, damit ich noch die letzten Reste von ihr erschnüffeln kann von dort, wo eben noch ihr dichtes, lockiges Haar gelegen ist.

Der Spruch stimmt also doch, dass man Dinge loslassen, weglassen, aber vor allem zulassen muss. Zulassen, was für ein seltsam doppeldeutiger Begriff! Man kann das Herz zu lassen und damit nichts an sich heranlassen. Oder man kann etwas zulassen und damit das Herz öffnen, so wie mir das passiert ist. Diese deutsche Sprache mit ihren zehntausenden Wörtern hat schon seltsame Eigenheiten! Bei Zulassen ist mir das bisher nie aufgefallen, da