Es ist viel passiert. Wenn das chinesische Sprichwort „Mögest Du in interessanten Zeiten leben“ als gut gemeinter Wunsch verstanden werden darf, haben wir derzeit wohl den Jackpot gezogen. Selten gab es so viel Veränderung, Neues und Umbruch, und selten so viel Aufgeregtheit und Schwarz-Weiß-Malerei, die wohl unerwünschten Nebenwirkungen dieser ereignisreichen Zeit. Da kann einem schon schwindelig werden. Aber was, wenn wir uns letztendlich vor lauter Aufgeregtheit nur noch im Kreis drehen? Das wurde ich unlängst in einem Gespräch in kleiner privater Runde gefragt. Die Frage klang ein wenig vorwurfsvoll, sind wir Journalistinnen und Journalisten – und somit auch ich – doch Teil dieser Öffentlichkeit, die sich rasant verändert und in der um die Deutungshoheit derzeit so unerbittlich gekämpft wird. Das Tempo, die Lautstärke, die Polarisierung macht uns, auch mich, manchmal atemlos, bisweilen sogar ratlos. Es ist laut, eng und gehässig geworden und das schon frühmorgens, wenn einem beim Wischen über das Display die Flut an Push-Nachrichten und Zorn-Postings den Kaffee verdirbt und vor dem Schlafengehen noch einmal die Laune, weil die Twitter-Vögel nicht zwitschern, sondern brüllen, die Wut und der Hass wieder einmal durch das Netz fegen und sich die Welt in den Abendnachrichten immer schneller und bedrohlicher dreht. Und jetzt? Wie weiter? Eine Gesellschaft, so heißt es, sei ja immer nur so klug wie der Diskurs, den sie gerade führt. Nun ja, um diesen scheint es nicht bestens bestellt zu sein. Anstatt einmal tief durchzuatmen, kühlen Kopf zu bewahren, nachzudenken, Fragen zu stellen und einander zuzuhören, verlieren wir uns lautstark empört in einem aufgeregten Gegen- und Durcheinander: „Drama, Baby!“ und „Tempo, Tempo!“ Und schon rufen die nächsten „Skandal!“, die anderen retten gerade die viel zitierte Wahrheit, wenn sie nicht ohnehin vorgeben, sie bereits zu kennen. Die Besser- und Alleswisser haben die Mehrwisser abgelöst, wer nicht in Nanosekunden zu allem und jedem eine Meinung hat, gilt