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2 Max Planck und sein Chauffeur – Was wir wirklich wissen
Wissenschaft nimmt die Dinge auseinander, um zu sehen, wie sie funktionieren, Religion setzt die Dinge zusammen, um zu sehen, was sie bedeuten!
JONATHAN SACKS4
Der Physik-Nobelpreis des Jahres 1918 ging an den deutschen Physiker Max Planck für seine bahnbrechenden Erkenntnisse zur Quantenmechanik. Das sorgte in Deutschland natürlich für große Aufregung und jeder wollte den Mann hören. Also brach der Physiker zusammen mit seinem Chauffeur zu einer Vortragsreise quer durch Deutschland auf. Über vierzig Orte suchten die beiden gemeinsam auf – und überall hielt Max Planck seinen Vortrag.
Als die beiden am Ende der Tour in München ankamen, wandte sich der Chauffeur an Max Planck und sagte: »Herr Planck, Ihnen muss doch allmählich langweilig sein. Jeden Abend halten Sie den gleichen Vortrag. Ich höre Ihnen nun schon seit vierzig Abenden zu. Ich kann mittlerweile jedes Wort mitsprechen. Was halten Sie davon, wenn wir heute Abend einmal die Rollen tauschen? Sie nehmen mit meiner Chauffeurmütze in der ersten Reihe Platz und ich halte an Ihrer Stelle den Vortrag.« Max Planck war nicht nur ein hervorragender Physiker – der Mann hatte offensichtlich auch Humor, denn er stieg auf den Vorschlag tatsächlich ein.
Da in dieser Zeit die Bilder in den Medien selten und in der Regel unscharf waren, wusste ohnehin niemand genau, wie Max Planck aussah. Also trat an diesem Abend der Chauffeur vor das Publikum, während Max Planck mit Chauffeurmütze in der ersten Reihe saß.
Der Chauffeur machte seine Sache hervorragend. Präzise, eloquent, Wort für Wort und Satz für Satz entwickelte er das schwierige Thema – ohne sich auch nur einen einzigen Fehler zu leisten oder sich in der schwierigen Materie zu verhaspeln. Es war eine Freude, ihm zuzuhören.
Als er jedoch am Ende des Vortrages angelangt war, passierte etwas, das an keinem der Abende vorher geschehen war. Ein Physikprofessor der Uni München erhob sich und stellte eine fachspezifische Frage. Der Chauffeur hörte aufmerksam zu, dachte einen Moment nach und sagte dann: »Ich muss Ihnen ein Geständnis machen. Als ich heute in das hochgebildete München kam, hätte ich niemals gedacht, dass mir eine so simple Frage gestellt werden würde.« Er machte eine Pause, deutete dann in die erste Reihe und sagte mit leicht gelangweilter Stimme: »Ich werde meinen Chauffeur bitten, diese Frage zu beantworten!«5
Das Problem mit dem Chauffeurwissen
Ich liebe diese Geschichte sehr, weil ich sie mit einer sehr wesentlichen Einsicht verbinde: Wenn es um die großen Fragen des Lebens geht, dann ist das Chauffeurwissen unser größter Feind!
Obwohl der Chauffeur den komplizierten Vortrag über Quantenmechanik halten konnte, wusste er vermutlich nicht wirklich über Physik Bescheid. Er war Chauffeur, nicht Physiker. Und doch hatte er eine Art von Wissen erworben, mit dem er so auftreten konnte, als würde er sich auskennen. Er hatte die Dinge einfach oft genug gehört, um sie wiederholen zu können. Und seine Wiederholung war eloquent, sie war präzise und ohne Fehl und Tadel. Er hat den Vortrag über die Quantenmechanik absolut fehlerfrei gehalten. Und dennoch hat er von Quantenmechanik nicht den Schimmer e