: Margret Greiner
: Margaret Stonborough-Wittgenstein Grande Dame der Wiener Moderne
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218011211
: 1
: CHF 15.20
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Margaret Stonborough-Wittgenstein (1882-1958), Schwester des Philosophen Ludwig und des einhändigen Pianisten Paul, verkörperte wie kaum eine andere Frau aus dem großbürgerlichen Milieu der Jahrhundertwende den Aufbruch in eine Zeit selbstbestimmter und selbstgewisser Frauen. Der immense Reichtum der Familie Wittgenstein war für sie Verpflichtung, die neue Kunst, wie sie ihr in der Secession und der Wiener Werkstätte entgegentrat, zu fördern. Klimt porträtierte sie. Sie war Bauherrin, Intellektuelle, Salonière: Glanzvolle Feste und Einladungen, an denen bedeutende Persönlichkeiten aus Politik und Kultur teilnahmen, machten ihren Salon zu einem begehrten Treffpunkt der Wiener Gesellschaft. Außergewöhnlich für Frauen dieser Zeit interessierte sie sich auch für Naturwissenschaften, trieb Studien in Mathematik, Physik und Medizin. Margret Greiner beleuchtet in vielen verschiedenen Facetten, was es bedeutete, sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als autonome weibliche Person zu entwerfen und als solche zu handeln.

Margret Greiner, Studium der Germanistik und Geschichte an den Universitäten Freiburg/Brsg. und München. Viele Jahre Unterrichtstätigkeit in den Fächern Deutsch, Geschichte, Theater und Ethik an deutschen Schulen, am Schmidt's Girls College in Jerusalem und an der Renmin Universität in Beijing. Margret Greiner lebt in München. Buch-Publikationen: 'Miss, wie buchstabiert man Zukunft?' (2004), 'Jefra heißt Palästina' (2005) und Biografien über Charlotte Berend-Corinth (2016) und Charlotte Salomon (2017). Bei K& S erschien 2014 'Auf Freiheit zugeschnitten. Emilie Flöge: Modeschöpferin und Gefährtin Gustav Klimts'.

DIE VERKÖRPERTE AUFLEHNUNG


„Gretl, Rudolf, wo seid ihr denn wieder?“ Die Rufe der Kinderfrau durchbrachen die mittägliche Ruhe im Wittgenstein-Palais in der Alleegasse 16. Das Jungvolk war wieder einmal wie vom Erdboden verschluckt. Wahrscheinlich hatte es sich versteckt, um sich vor dem Nachmittagsunterricht in Latein zu drücken. Da entwickelten die beiden Geschwister, die immer wie Kletten aneinanderhingen, eine innovative Energie: wickelten sich in die langen Brokatstores vor den Fenstern ein, verschwanden in den großen eichenen Schlafzimmerschränken, den schmächtigen Rudolf hatte Elis, die Kinderfrau, auch schon zusammengekrümmt im Flügel gefunden, bei geschlossenem Deckel! Die älteren Geschwister wurden ja langsam vernünftig: Hermine, die Älteste, war schon kein Kind mehr, Hans und Kurt waren beide begeisterte Musiker, das Spiel auf der Geige und auf dem Klavier trieb die Flausen aus dem Kopf, Helene war ein munteres, aber ausgeglichenes Kind – nur die jüngeren Geschwister schlugen über die Stränge. Die Allerjüngsten, Paul und Ludwig, waren noch im Kleinkindalter und hatten weniger Möglichkeiten, sich gegen das strenge Regiment der Kinderfrau zu wehren.

Die Mutter Leopoldine war offensichtlich überfordert: Die vielen Geburten hatten sie körperlich angegriffen, alles wurde ihr zu viel – außer dem Klavierspiel, zu dem sie sich viele Stunden am Tag zurückzog. Aber die Erziehung der Kinder überließ sie anderen. Sie war leicht erregbar, neigte dazu, bei Kleinigkeiten gereizt zu reagieren, obgleich sie sich immer wieder den Zwang zu freundlicher Ruhe auferlegte. Margaret urteilte im Rückblick bündig:Meine Mutter litt an einer unaufhörlichen Überlastung der Nerven […] ihr erregtes Wesen war mir unerträglich.

Die Tochter Hermine pries die ungeheure Güte und Selbstlosigkeit der Mutter, erklärte sich ihr Versagen als daseiner ausgesprochen zum Dulden geborenen Frau mit einem ausgesprochen zum energischen Handeln geb