Ein Spülschwamm zum Frühstück
Lilli lag noch in ihrem Bett und träumte, als plötzlich eine nasse Hundezunge einmal quer über ihr Gesicht fuhr. Müde öffnete sie ein Auge, während das andere noch zu schlafen schien.
»Aufwachen! Lilli, wach auf. Die Sonne scheint, und mein Napf ist leer«, hörte sie ihren Hund Bonsai bellen.
Ungeduldig und freudig zugleich wedelte der süße Mischling mit dem Schwanz.
Nein, Lilli träumte nicht etwa immer noch. Sie konnte tatsächlich das Bellen ihres Hundes verstehen. Liliane Susewind hatte nämlich eine ganz besondere Gabe: Sie konnte mit Tieren sprechen. Mit allen Tieren.
»Oh, lass mich noch ein wenig schlafen, Bonsai. Es ist doch Wochenende, und ich habe gerade so schön geträumt.« Lilli zog sich die Bettdecke über den Kopf.
»Ich träume auch. Und zwar von einer leckeren Wurst.« Bonsai schnappte sich die Decke und zog so lange daran, bis sie zu Boden fiel.
Lilli zeigte sich davon allerdings wenig beeindruckt. Da fuhr Bonsai schwerere Geschütze auf. Er tapste seelenruhig zu ihren Füßen und fing an, sie abzuschlecken. Augenblicklich saß Lilli aufrecht und war hellwach.
»Hör auf, das kitzelt!« Lachend zog sie die Beine ein. »Hör auf, Bonsai!« Sie kringelte sich. »Schon gut, schon gut. Du hast gewonnen. Ich stehe ja auf«, gluckste sie, worauf der weiße Fellball zufrieden von ihren Füßen abließ, vom Bett sprang und zur Tür hastete.
Obwohl Lilli noch hundemüde war, stand sie wie versprochen sofort auf. Und eigentlich war es auch gar nicht so verkehrt. Schließlich hatte sie heute etwas ganz Besonderes vor …
Gähnend streckte sie sich, während Bonsai unruhig im Türrahmen stand und auf seine beste Freundin wartete. »Schnell, Lilli. Das Loch in meinem Magen wird immer größer!«
»Oje! Das klingt nach einem ausgewachsenen Bärenhunger«, sagte Lilli und schlüpfte in ihre Hausschuhe.
»Und ob!«, wuffte Bonsai, erleichtert, dass sie endlich die Ernsthaftigkeit seiner misslichen Lage begriffen hatte.
»Wieso haben Mama und Papa dich nicht gefüttert? Schlafen sie etwa noch?«, fragte Lilli, die auf Bonsai zuschlurfte.
»Schwer zu sagen. Sie laufen zwar mit offenen Augen herum, aber sie benehmen sich irgendwie … seltsam.«
»So?«, wunderte sich Lilli. Normalerweise war sie es doch, die sich seltsam benahm – zumindest nach Ansicht der Menschen, die sie zufällig mal in der Nähe von Tieren erlebt hatten.
»Deine Mutter spricht mit sich selbst«, berichtete Bonsai, der nun neben Lilli die Treppe ins Erdgeschoss hinuntertapste. »Und dein Vater hat mir statt Futter einen Spülschwamm in den Napf gelegt.« Der kleine Mischling nieste und rümpfte die Nase.
»Aaah, jetzt verstehe ich …«. Lilli nickte. »Mama bereitet sich sicher auf das Interview mit Bürgermeister Gockel vor. Zu seinen Ehren findet heute doch das große Fest am Rathausplatz statt. Er hat sich da sein eigenes Denkmal bauen lassen. Und das soll heute vor allen Oberschnepfenheimern feierlich eingeweiht werden. Der ist so was von selbstverliebt«, erklärte sie und verdrehte die Augen. »Und Papa ist mit seinen Gedanken garantiert schon in China«, fuhr sie fort. »Dort spielt das Buch, an dem er gerade schreibt, weißt du?«
Bonsai trippelte immer noch neben ihr her und hatte angesichts seines riesigen Hungers nur wenig Verständnis für das seltsame Verhalten der ausgewachsenen Zweibeiner seines Rudels.
»Guten Morgen«, trällerte Lilli gutgelaunt, als sie wenig später die Küche betrat.
Herr Susewind lächelte kurz, aber liebevoll, bevor er sich wieder auf seine Notizen konzentrierte. Frau Susewind sah von den Karteikarten mit ihren Interviewfragen auf. »Guten Morgen, mein Schatz. Hast du gut geschlafen?«
»Ja – hätte nur ein bisschen länger sein können«, erwiderte Lilli mit einem Seitenblick auf Bonsai. Der stand bereits vor seinem Fressnapf und betrachtete winselnd den darin liegenden Spülschwamm.
Beim Anblick seiner traurigen Hundeschnauze wurde es Lilli ganz warm ums Herz. Schnell hob sie den Napf vom Boden und spülte ihn kurz mit dem Schwamm aus. Während ihre Mutter sich wieder ihren Karteikarten widmete und ihr Vater vor sich hin murmelnd in sein Notizbuch schrieb, öffnete Lilli den Schrank, in dem das Hundefutter verstaut war. Dabei spürte sie Bonsais hungrigen Blick. Nicht eine Sekunde ließ er sie aus den Augen, als sie den Napf füllte.
»Lass es dir schmecken.« Lilli stellte Bonsai den vollen Napf unter die Nase. Glücklich machte er sich über das Futter her.
Lilli schaffte es gerade mal, sich an den Tisch zu setzen und ein Brötchen aus dem Brotkorb zu fische