1 – Fridag
Guy schrie vor Wut auf und stemmte den bewusstlosen Schreiberling von seiner Brust. Berge von Herbstlaub versuchten ihn zu ersticken. Er kletterte unter Anstrengung aus dem Fenster des umgestürzten Wagens. »Soll‘s der Teufel holen!« Voller Zorn trat er gegen den Kasten und hörte erst auf, als sein Fuß schmerzte.
Die rechte Hand gegen den Kopf gepresst, tauchte Jakob in einem der Fenster auf. »Was ist passiert, Herr?«
»Was ist passiert, Herr? Was ist passiert?«, äffte Guy ihn mit Fistelstimme nach und trat noch einmal gegen den Wagen. Das hätte er lassen sollen, denn als nächstes sank er mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die gebrochene Deichsel, um seine Zehe zu reiben. Wie immer gaffte Jakob ihn mit seinen Rehaugen verständnislos an. Ein Wagenrad drehte sich quietschend im Wind, der durch das vielfarbige Herbstlaub blies. Vereinzelt stießen Vögel Warnrufe aus. Ringsum war Wildnis. Vom Knecht und den Pferden fehlte jede Spur.
Der Schreiberling kletterte umständlich aus dem Wrack und sah sich verblüfft um. Mit seinem Ärmel tupfte er das Blut einer kleinen Platzwunde aus seinem braunen Haarschopf.
Zwanzig Schritt die Böschung hinauf lag die Straße, von der sie abgekommen waren. Plötzlich hatte es geknackt, der Wagenlenker hatte geschrien und dann war es auch schon den Hang hinab gegangen. Rechts und Links wirbelte Wald an ihnen vorbei. Mit Getöse mähten sie junge Bäume um und der Wagen legte sich fast sanft auf die Seite. Wie durch ein Wunder zerschellten sie nicht an einem der dickeren Stämme.
Warum hatte der Knecht die Pferde nicht zum Stehen gebracht? Hoffentlich lag er nicht irgendwo mit gebrochenem Genick. Das hätte Guy gerade noch gefehlt. Sein Schädel brummte, sein Rücken fühlte sich aufgeschürft an und vermutlich hatte er sich eine Zehe gebrochen.
Er hasste große, ausufernde Wälder! Und wie er sie hasste! Nie hatten sie ihm etwas Gutes eingebracht. Er musste nur an Sherwood denken oder an diesen Locksley, den er darin jahrelang erfolglos gejagt hatte. Die Erinnerung an den Triumph, als er den Burschen endlich am Wickel gehabt hatte, und an die Qual, als King Richard zurückkam, diesen Verbrecher beschenkte und ihn, Guy of Gisborne, zum Teufel jagte.
Eine verflucht schwierige Zeit lag hinter ihm. Es hatte gedauert, bis man sich von königlicher Seite erinnerte, dass es ihn gab. Erstaunlicherweise war es Eleonore, die Königin Mutter gewesen, die ihn zu einem Gespräch unter vier Augen zu sich rief, und nicht sein bisheriger Mentor Prinz John. Er sah ihre dunklen tiefgründigen Augen vor sich, das feine Lächeln, mit dem sie ihn begrüßte. »Es ist, wie es immer ist, Sir Guy, die Krone bedarf ihres treuesten Dieners für heikle Aufgaben.«
Das Rufen seines Schreiberlings Jakob, der die Böschung hochkletterte, riss ihn aus seinen Gedanken. »Sir Gisborne, ich kann weder die Pferde noch den Wagenlenker finden«, teilte er unnützerweise mit. Flehentlich, den Blick seiner grauen Augen zum Himmel gerichtet, erhob sich Guy und kletterte ebenfalls die Böschung hoch.
Wie weit waren sie von ihrem Ziel entfernt? Er hatte das Geruckel des Wagens endgültig satt. Seit sie von Mainz aufgebrochen waren, spürte er jeden Stein und jede Kuhle auf der Strecke in den Knochen. Jakob stierte abwechselnd in beide Richtungen der Straße und wirkte so verzweifelt wie ein Jagdhund, der nicht weiß, welchem Fuchs er nachrennen soll. Guy hätte ihn prügeln mögen! Leider war Jakob seine einzige Hoffnung auf Verständigung in diesem von Barbaren bevölkerten Flickenteppich verschiedenster Besitztümer.
Die Sonne beschien einen Felsbrocken am Rand des Weges und Guy ließ sich darauf niedersinken. Er