Prolog
Der Teufel zeigt sein Angesicht
Es hieß, der Winter an der Küste von Somerset sei von einer gewissen düsteren Schönheit geprägt. Einigen jedoch erschien der Februar des Jahres 1827 vor allem düster. Es hätte schlimmer sein können, nahm Aubrey Farquharson an. Es hätte der Winter des Jahres 873 sein können.
In jenem Jahr errichteten die Bewohner des Dorfes, geplagte, hungernde und erschöpfte Bauern, auf einer Anhöhe hoch über dem Bristol-Kanal einen Steinhügel, um von dort Ausschau nach normannischen Eroberern zu halten. Aber wie es bei Eroberern zu sein pflegt, waren sie heimtückisch und ausdauernd. Bald wurde aus der kleinen Erhebung notgedrungen ein Wachturm und aus dem Turm ein Bollwerk, bis viele Jahre später aus dem ursprünglichen Steinhügel Castle Cardow geworden war, benannt nach der Anhöhe, auf der es stand.
Angesichts seiner strategischen Bedeutung flatterte auf den Zinnen bald das Banner der Könige von Wessex. Doch von Anbeginn an schien der Burg das Schicksal bestimmt zu sein, ein Ort des Leids zu sein. Einige meinten, Cardow wäre aus Steinen und Tränen erbaut worden, und ganz gewiss wurden dort viele Tränen vergossen. Bei der endgültigen Eroberung im zweiten Krieg mit den Dänen wurden die tapferen Männer, die die Festung hielten, von Gunthrum dem Wikinger und seinen Gefolgsleuten verbrannt, gefoltert und bei lebendigem Leib gehäutet. Der barbarischste unter ihnen hieß Mangus der Walrafen oder »der Todesrabe«, benannt nach der Galionsfigur seines Schiffs, einem gewaltigen schwarzen Vogel mit weit ausgebreiteten Schwingen, der sich wie ein Racheengel auf seine unschuldigen Opfer zu stürzen schien.
Der Vergleich war durchaus zutreffend. Nachdem Mangus die Burg verwüstet hatte, beschloss er, sich über die kläglichen Reste herzumachen. Er stieß auf etwas nach seinem Geschmack – die Erbin von Cardow – und nahm sie gewaltsam zur Frau. Sie war ein blondes, blauäugiges Sachsenmädchen namens Ermengild, deren Name wörtlich übersetzt »stark im Kampf« bedeutete. Mangus jedoch ignorierte den Hinweis. Er benannte Burg und Dorf nach sich selbst und ließ sich dort nieder.
Zwei Jahre lang beuteten die Wikinger das Königreich Wessex aus, und Mangus beutete seine Frau aus. Aber Ermengild hielt sich tapfer. Und eines Tages zwang der König von Wessex, der Mann, der eines Tages den Namen Alfred der Große tragen sollte, die heidnischen Wikinger, sich zu beugen, nicht nur vor England, sondern auch vor dem Christentum. Gunthrum wurde schmählich geschlagen und segelte mitsamt seinem Gefolge davon. Mangus verließ seine Frau, die im dritten Monat schwanger war, mit dem Schwur, er werde wiederkommen.
Als er tatsächlich zurückkehrte, war die Burg auf dem Berg Cardow – oder wie immer man ihn nennen wollte – zu einer starken Festung ausgebaut worden. Für das, was Ermengild vorhatte, wurden die Verteidigungsanlagen allerdings kaum benötigt. Als sie das Schiff ihres Ehemanns den Kanal heraufkommen sah, ging sie zum Burggraben hinunter, umarmte kurz darauf Mangus auf der Zugbrücke und stieß ihm dann ihr bestes Küchenmesser zwischen die Schulterblätter. Damit endete – so sagt man jedenfalls – die erste von vielen unglücklichen Ehen auf Castle Cardow.
Aubrey Farquharson hatte auf ihrer Reise von Birmingham diese und etliche andere Geschichten gehört. Der Schiffsarzt, der ihnen in der Postkutsche gegenübergesessen hatte, stammte aus Bristol und hatte es offensichtlich von ganzem Herzen genossen, zum Vergnügen all jener, die seine Gesellschaft teilten, sein Garn zu spinnen. Aubrey hatte ihm höflich gedankt, war bei Minehead rasch aus der Kutsche gestiegen und in die schäbige, kleine Po